Petrus Abælardus

Abt von St.Gildas (* 1079 – † 1142)

Petrus, mit dem Beinamen Abälard (Abélard, Abaillard), über dessen Ursprung und Bedeutung Unklarheit herrscht, wurde 1079 zu Palet (Palatium, daher „Peripateticus Palatinus“ bei Nantes von edlen Eltern geboren. Er entsagte früh der militärischen Laufbahn, um sich in Paris ganz den Wissenschaften zuzuwenden. Seine Lehrer waren in der Philosophie Roscelin und Guillaume de Champeaux, in der Theologie Anselm von Laon. Diese erste Periode seines wissenschaftlichen Lebens und Strebens ist ausgefüllt von wechselndem Lernen und Lehren sowie von Kämpfen mit seinen Lehrern, deren Ruhm er verdunkelt. Abschluß dieser Periode bildet seine Anstellung als Lehrer an der Kathedralschule zu Paris unter Verleihung eines Kanonikates. Aus dieser glänzenden Karriere wirft ihn sein bekanntes romantisches Verhältnis zu Héloise, der natürlichen Tochter eines Pariser Kanonikus Johannes und Nichte des Kanonikus Fulbert. Die Verwicklungen enden damit, daß Héloise in das Benediktinerinnenstift Argenteuil, Abälard in die Abtei Saint-Denis eintritt (1118). Im Jahre 1121 von einer Synode zu Soissons wegen eines Traktates über die hl. Dreifaltigkeit und mit den Mönchen wie dem Abte von Saint-Denis wegen seiner, der Zeit vorauseilenden Ansichten betreffs der Schutzheiligen der Abtei zerfallen, entfloh er zeitweise nach Saint-Aigulph bei Provins, einem Priorate von Saint-Pierre de Troyes, mußte indes in sein Kloster zurückkehren. Der inzwischen zum Abte erwählte Suger gestattete ihm jedoch, sich in eine beliebige Siedelei zurückzuziehen; er wählte die von ihm Paraklet benannte bei Nogent-sur-Seine in der Champagne, in welche ihm sofort eine große Anzahl wissensdurstiger Schüler folgte. Zum Abte von Saint-Gildas zu Rhuys in der Bretagne erwählt (1126), schenkte er seine Gründung Paraklet an die inzwischen aus Argenteuil vertriebene Héloise (1127), die daselbst eine Abtei errichtete (1129), welcher sie bis zu ihrem Tode vorstand. Die traurigen Zustände in Saint-Gildas zwangen Abälard, die Abtswürde schon bald, jedenfalls vor 1136 niederzulegen, da wir ihn in diesem Jahre wieder zu Paris als Lehrer tätig finden. Die folgenden Jahre sind ausgefüllt mit neuen Streitigkeiten, zumal mit Bernhard von Clairvaux, welche ihren Abschluß finden in der Verurteilung Abälards auf der Synode von Sens (1141). Auf dem Wege nach Rom, an das er appelliert hatte, fand er Zuflucht bei Peter dem Ehrwürdigen in Cluny, der ihn mit Bernhard und dem Oberhaupte der Kirche aussöhnte. Abälard starb den 21. April 1142, dreiundsechzig Jahre alt, zu Saint-Marcel de Chalons-sur-Saône, wohin er sich zur Erholung begeben hatte. Sein Leichnam wurde nach Paraklet überführt und dort bestattet. Nach ihrem am 16. Mai 1164 erfolgten Tode fand auch Héloise ihre letzte Ruhe in demselben Sarge, der die Gebeine ihres Gatten umschloß.

Für das Kloster Paraklet hat Abälard ein eigenes, umfangreiches Hymnar verfaßt. Die Gründe, die ihn dazu bewogen, setzt er selbst in der Einleitung zum ersten Buche der Hymnen auseinander. Dies Hymnar ist uns in zwei Handschriften, in keiner vollständig, erhalten, einer Brüsseler, Nr. 10147 – 58, einem Sammelbande des dreizehnten Jahrhunderts, und einer zu Chaumont-sur-Marne, einem Diurnale des Klosters Paraklet aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Aus ersterer, am Schlusse defekten Handschrift sind die Hymnen Abälards in ihrer Gesamtheit herausgegeben von Viktor Cousin, Abaelardi Opera I (1849), 292ff. und Dom Pitra in Mignes PP. LL. 178, 1772ff. Aus beiden Handschriften sind Abälards Hymnen bedeutend vermehrt und wesentlich verbessert neu herausgegeben worden von G. M. Dreves, Petri Abaelardi, Peripatetici Palatini Hymnarius Paraclitensis, Paris 1891. Wiederabdruck Anal. hymn. XLVIII, 142 – 223.

Außer seinen Hymnen besitzen wir von Abälard noch sechs Planctus über biblische Vorwürfe. Diese sind uns in der Vatikanischen Handschrift Regin. 288 aus dem dreizehnten Jahrhundert erhalten und wurden zuerst von Greith in seinem Spicilegium Vaticanum 1838, S. 123ff. herausgegeben (abgedruckt bei Cousin 1. c. 333 sqq. und Migne 1l. c. 1817 sqq.); zum zweiten Male von Wilhelm Meyer: „Petri Abaelardi Planctus virginum Israel super filia Iephtae Galaditae“, Monachii 1885, und „Petri Abaelardi Planctus I. II. IV. V. VII.“ Elangen 1890. Neuerdings Anal. hymn. XLVIII, 225 – 232.

Von dem Gedichte an seinen Sohn Astrolabius, das schon Duméril (II, 430 u.f.) ediert, aber angezweifelt, hat Hauréau den vollen Text aufgefunden und mitgeteilt (Notices et Extraits XXXIV, 2, 153 – 87). Die vielfach Abälard zugeschriebene Sequenz Mittit ad virginem kann nicht als sein literarisches Eigentum angsehen werden; zweifelhaft erscheint aus Gründen des Inhaltes und der Form seine Autorschaft bezüglich des Marienliedes Lux orientalis et amica Dei specialis, obschon eine Handschrift des zwölften Jahrhunderts aus Anchin (jetzt zu Douai 825) dasselbe ausdrücklich als „Versus magistri Petri Abaelardi de sancta Maria virgine“ bezeichnet (vgl. den Text Anal. hymn. XV, 151). Von den zahlreichen weltlichen Liedern, meist erotischen Inhaltes, die er dichtete und komponierte und die im Munde aller Zeitgenossen waren (vgl. Dreves, Petri Abaelardi etc. p. 2), ist uns leider keines erhalten.

(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 222f.)

Literatur

Abaelard (Abailard), Peter. - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 1. A bis Barcelona. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 1993, Sp. 9f.

 

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