Gottschalk von Orbais

Mönch von Orbais († 869)

Godescalus Orbacensis. Gottschalk, Sohn Berns, eines sächsischen Grafen, und zu Anfang des neunten Jahrhunderts geboren, ward in kindlichen Jahren als Oblat nach Fuld gestiftet und von Raban gegen seinen Willen zum Mönch geschoren. In den Künsten der Schrift und des Gesanges unterrichtet, schloß er mit Walahfrid während dessen Aufenthaltes in Fuld den Bund der Freundschaft und erhielt von diesem den Namen Fulgentius beigelegt. Zum Jünglinge gereift, entfloh Gottschalk vor den höheren Weihen aus dem Kloster und ward von Erzbischof Otgar von Mainz auf einer in seiner Angelegenheit einberufenen Synode zu Mainz (869) seiner Gelübde ledig erklärt, während Raben Berufung an eine vom Könige zu präsidierende Synode einlegte. Gottschalk begab sich nun nach Corbie, wo er mit Rathramnus Freunschaft schloß, besuchte Bischof Lupus von Châlons und muß in dieser Zeit, wie es heißt, von dem Chorbischofe Richbold die Weihen erhalten haben. Wahrscheinlich ist auch in diesen Jahren ein erster Aufenthalt Gottschalks in Orbais anzusetzen.

Photo der romanischen KircheVon Francien zog derselbe sodann nach Italien, ward von Eberhard, Markgrafen von Friaul, aufgenommen und verbrachte zwei Jahre auf einer nicht näher bekannten Insel. Durch einen Brief Rabans, der ihn häretischer Ansichten über die Prädestination bezichtigte, von dem Hofe Eberhards verscheucht (846), durchzog er Dalmatien, Pannonien, Steiermark, überall, wie behauptet wird, seine Lehre von der Vorherbestimmung verbreitend, und kehrte auf diesem Wege nach Deutschland zurück, wo inzwischen sein Freund Walahfrid Abt der Reichenau geworden war. Im Oktober des Jahres 848 auf einer Mainzer Synode unter dem Vorsitze Ludwigs des Deutschen und des inzwischen zum Erzbischofe beförderten Raban verurteilt und gestäupt, ward er des Reiches verwiesen und zu Hincmar von Rheims abgeschoben, der ihn mit einigen Komplizen in das Kloster von Orbais sperrte. Von neuem auf dem Konzil zu Carisiacum (Quiersy) 849 unter dem Vorsitze Karls des Kahlen und Hincmars verurteilt, suspendiert und gestäupt und in dem Kloster zu Hautvilliers eingesperrt, gelang es ihm trotz des scharfen Gewahrsams durch Schriften und Gegenschriften für seine Lehre zu kämpfen, ein Kampf, an dem sich Hincmar, Raban, Rathramnus u.a. beteiligten, das ganze Frankenreich sich zu interessieren schien. Noch auf seinem Totenbette zum Widerrufe ermahnt und, da er sich zu einem solchen nicht verstand, der Tröstungen der Sterbenden beraubt, verschied Gottschalk den 30. November 869 (870). Vgl. Freystedt, Studien zu Gottschalks Leben und Lehre, Zeitschr. f. Kirchengesch. XVIII (1897) 1 – 22; 161 – 182; 529 – 545, und vor allem Traube, Poetae Aevi Carolini III, 707- 720.

Von den Dichtungen Gottschalks ist uns nur weniges erhalten. Was daraus in den Bereich der Hymnenliteratur gerechnet werden kann, ist Anal. hymn. L, 220 – 228 teils nach den Quellen, teils nach Traube a.a.O. 724 – 732 wiedergegeben. Ich entnehme daraus zwei Stücke, in denen sich Gottschalk am meisten von den Gepflogenheiten des dichtenden Aevum Carolinum entfernt und namentlich, was den Reim betrifft, eigene Wege geht, der Zeit voraneilend.

(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 89f.)

 


Heute wissen wir etwas mehr über das unglaubliche Leben des Gottschalk. Er hat nicht nur eine lange Biographie auf Wikipedia, sondern auch seine eigene Website mit einem Ableger auf Facebook, beides gepflegt vom Übersetzer seiner Werke ins Englische. Der Umfang dieser Werke hat sich durch einen Manuskriptfund in der Stadtbibliothek von Bern im Jahr 1931 außerordentlich vermehrt. Auf der "Gottschalk Homepage" fanden wir auch das oben gezeigte Bild der Fuldaer Michaelkirche.

Literatur

Gottschalk & A Medieval Predestination Controversy (Texts Translated From The Latin) (Medieval Philosophical Texts in Translation), Übersetzt und herausgegeben von Victor Genke und Francis X. Gumerlock,  Marquette University Press, October 2010

Gottschalk der Sachse, Gottschalk von Orbais - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 4. Franca bis Hermenegild. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 1995, Sp. 955ff.

Gottschalk der Sachse, Gottschalk von Orbais - Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. München 1975, S. 359 - 364

Godescalc - Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Justinian bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts. München 1965 (unveränderter Nachdruck der 1911 erschienenen ersten Auflage), S. 568 - 574

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