O quam dira, quam horrenda
Geschrieben von: Petrus Damianus
Petrus Damiani (1006 – 1072)
Lateinisch:
O quam dira, quam horrenda voce iudex intonat,
Cum paratis mergi flammis maledictos imperat,
Mox deglutiens viventes Stygis olla devorat!
Vaporantur infelices intus et extrinsecus,
Crepitantes stridunt flammæ velut ardens clibanus,
Ore, naribus et ipsis profluunt luminibus.
Immortalis mors occidit nec omnino perimit,
Ignis urit ne consumit nec defectum recipit,
Vita moritur, mors vivit, finis semper incipit.
Rediviva septem plagæ renovant supplicia,
Fumus, fœtor, algor, ardor, fames, sitis ignea,
Vermes nunquam satiantur, qui corrodunt viscera.
Illic dolor, cruciatus, fletus stridor dentium,
Assunt fremitus leonum, sibili serpentinum,
Quibus mixti confundantur ululatus flentium.
Molis trabeæ dracones laxa pandunt guttura,
Quorum oculi sagittas iaculantur igneas,
Caudæ chelas scorpionum, plantæ produnt viperas.
Tendunt quidem ad non esse, sed non esse desinunt,
Vivunt morti, volunt mori, sed omnino nequeunt.
Qui male vixere, vitam pro tormeto perferunt.
Hæc præ oculis, vesani, formidantes ponite,
Hæc subtili pertractantes studio revolvite
Et pravorum vinclis morum colla mentis solvite.
Nam paratus es conversis indulgere veniam,
Qui perversis adhuc celat vindictæ sententiam;
Salus, honor pio regi per æterna sæcula.
Deutsch:
O wie schrecklich, o wie furchtbar Einst des richters stimme klingt,
Wenn er in bereite flammen Die verdammten niederzwingt,
Und aufklaffend die lebendigen Bald der hölle schlund verschlingt.
Die unseligen werden brennen Von der haut bis tief ins blut:
Knisternd klirren um sie flammen Wie ein panzerhemd in glut,
In die münder, nasen, augen Fliesst hinein die lohe flut.
Denn der ewige tod wird töten Doch vernichten nicht die spreu,
Brand wird brennen, doch nicht zehren. Dem erschöpften bleibt er treu,
Leben stirbt und tod wird leben, Stets beginnt das ende neu.
Stets die schar der frischen martern Siebenfache pein beklagt:
Qualm, gestank und frost und hitze, Hunger glüher durst sie plagt,
Und der wurm wird nie gesättigt, Der die eingeweide nagt.
Dort ist schmerz dem zähneknirschen, Qual dem weinen aufgetischt,
Dort ertönt gebrüll der löwen, Wo zugleich die schlange zischt
Und mit allem sich im tiegel Grell gestöhn und klage mischt.
Drachen öffnen ihres weichen Schlundes purpurnes gehäng,
Ihre wilden augen schleudern Feuerpfeile ins gedräng,
Schweif und fuss zeugt der skorpionen, Nattern scheussliches gemeng.
Nicht zu sein ist all ihr streben, Doch ihr sein hört nimmer auf,
Leben tote, wollen sterben, Doch versagt ist aller kauf:
Die schlimm lebten, deren leben Zieht in qual den steten lauf.
Stellt vor augen diesen schrecken Euch in eurer raserei,
Bleibt mit peinlichem beharren, Ernstem eifer stets dabei,
Aus den schlingen schlechter sitten Macht den hals der seele frei.
Denn der den bekehrten willig Seine huld und gnade leiht,
Schweigt das urteil den verkehrten streng bis zur gegebnen zeit.
Ehre, heil dir, milder könig, Bis in alle ewigkeit.
Deutsch von Friedrich Wolters (1875 - 1930)
fontes
Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung, S. I, 166f.
Friedrich Wolters, Hymnen und Sequenzen, S. 92ff.
scholia / marginalia
De Poenis Inferni Rhythmus.
Gedicht von den Strafen der Hölle.
Gewisse Herausgeber teilen den „Rhythmus de Morte sive de Poenis Inferni“ in zwei Hymnen auf, also „Rhythmus de Morte“ und „De Poenis Inferni Rhythmus“ (Henry Spitzmuller, S. 390, Anm. 13, S. 517); diese Aufteilung wird hier übernommen.
metrum
Versmaß: dreizeilige Strophen in katalektischen trochäischen Tetrametern.
Wenn die Zeilen nicht aus druck- oder satztechnischen Gründen gebrochen werden, zeigt das Schriftbild dreizeilige Strophen.
O quam dira, quam horrenda voce iudex intonat,
Cum paratis mergi flammis maledictos imperat,
Mox deglutiens viventes Stygis olla devorat!