Profitentes unitatem

Adam von Sankt Viktor (* um 1100 - 1192)

Lateinisch:

Profitentes unitatem
Veneremur trinitatem
Pari reverentia,
Tres personas asserentes
Personali differentes
A se differentia.

Hæc dicuntur relative,
Cum sint unum substantive,
Non tria principia;
Siva dicas tres vel tria,
Simplex tamen est usia,
Non triplex essentia.

Simplex esse, simplex posse,
Simplex velle, simplex nosse
Cuncta sunt simplicia;
Pater, proles, sanctum flamen
Deus unus, sed hi tamen
Habent quædam propria.

Non unius, quam duarum
Sive trium personarum,
Minor efficacia;
Una virtus, unum numen,
Unus splendor, unum lumen,
Hoc una, quod alia.

Patri proles est æqualis,
Nec hoc tollit personalis
Amborum distinctio;
Patri compar filioque
Spiritalis ab utroque
Procedit connexio.

Non humana ratione
Capi possunt hæ personæ
Nec harum discretio.
Non hic ordo temporalis,
Non hic situs, aut localis
Rerum circumscriptio.

Nil in Deo præter Deum,
Nulla causa præter eum,
Qui Creat causalia;
Effectiva vel formalis
Causa Deus et finalis,
Sed nunquam materia.

Digne loqui de personis
Vim transcendit rationis,
Excedit ingenia;
Quid sit gigni vel processus,
Me nescire sum professus,
Sed fide non dubia.

Nos in fide gloriemur,
Nos in una modulemur
Fidei constantia.
Trinæ sit laus unitati,
Sed et simplæ trinitati
Coæterna gloria.

deutsch:

Laßt uns Gott als Einen nennen
Und als Dreiheit ihn bekennen
Mit der gleichen frommen Scheu;
Laßt uns die Personen preisen,
Die sich dreifach herrlich weisen,
Jede ihrer Art getreu.

Doch den Worten ziemt Beschränkung:
Einfach bleibt die Willenslenkung,
Einfach waltet die Sustanz;
Dreiverbunden, dreierlesen,
Sind die Drei doch Eins im Wesen,
Eins in ihrer Gottheit Glanz.

Eins im Wesen und im Können,
Eins im Wollen und Erkennen,
Eins in allen Wirkens Kraft;
Vater, Sohn und heilge Lohe,
Sie sind Gott, der Eine, Hohe,
Ob auch drei an Eigenschaft.

Denn aus Einem, wie aus Zweien
Strahlt so hell wie aus den Dreien
Höchster Allmacht Angesicht;
Eins die Stärke, Eins der Wille,
Eins der Glanz und Eins die Fülle:
Jeder trägt das selbe Licht.

Sohn und Vater sind der Gleiche,
Ob auch zweifach im Bereiche
Der gesonderten Person;
Heilgen Geistes Allumfangen,
Das von Beiden ausgegangen,
Gleicht dem Vater wie dem Sohn.

Fern ist menschlicher Ergründung
Der Personen Wesensbindung,
Fern, was sie als Eigne trennt;
Nichts bedeuten hier die Zeiten,
Nichts des Raums gemeßne Breiten,
Dran die Dinge man erkennt.

Gott ist nur sich selbst verbündet,
Nichts ist außer ihm gegründet,
Er ists, der die Gründe schafft;
Gott ist Grund der Formengebung,
Grund der Wirkung, Grund der Strebung,
Aber nie in Stoffes Haft.

Drei Personen, hoch enthoben
Allem Denken, allem Loben,
Aller Macht der Phantasie:
Was Erzeugung, was Ergießung,
Nicht begreif ichs durch Erschließung,
Nur der Glaube trügt mich nie.

Laßt denn auf des Glaubens Schwingen
Freudger uns dem Herrn erbringen
Chöre gläubgen Brudertums.
Lobt die Drei in ihrer Einheit,
Lobt den Einen in der Reinheit
Dreifach ewgen Siegesruhms.

Deutsch von Franz Wellner (1889 – 1956)

fontes

Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einfüh­rung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 174 - 179

Adam von St. Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch und Deutsch, eingeführt und übertragen von Franz Wellner, 2. Aufl. München 1955

Die Erstauflage des Werkes erschien 1937 in Wien. Die Lebensdaten des Übersetzers waren nicht zu eruieren. Nach Auskunft des Verlages verfügt Kösel nicht mehr über die Rechte an dem genannten Buch und kennt auch keinen Rechtsnachfolger. Wir gehen daher davon aus, dass unserer Wiedergabe hier nichts entgegensteht.

scholia / marginalia

Sequentia de sanctissima Trinitate
Sequenz auf die heiligste Dreifaltigkeit

"Sequenz auf die heiligste Dreifaltigkeit. – Das Dreifaltigkeitsfest, obgleich erst auf der Synode von Arles 1260 in Frankreich allgemein eingeführt, wurde in den Klöstern schon seid dem 11. Jahrhundert gefeiert. Zu seiner Verherrlichung entwickelt die vorliegende Sequenz Adams von St. Viktor in dichterischer Form die Lehre von den drei göttlichen Personen, die zusammen das eine göttliche Wesen bilden. Zeit und Raum vermögen das Wunder der Dreieinigkeit nichtg zu erschließen; denn Gott hat seinen Grund nur in sich selbst und schafft, als primärer Grund, alle sekundären Gründe.

Die Scholastik unterschied im Anschluß an Aristoteles [Analyt. Poster. II, 11] die causa materialis [Stoff-Gegebenheit], formalis [Seins-Gestaltung], effectiva [Wirk-Ursache] und finalis [Zweck-Ursache]; in den drei letzteren waltet Gott als Ur-Ursache, niemals aber ist er Materie."
Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einfüh­rung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 174f.

 

metrum

Die Verse der Strophe dieser Sequenz entstehen aus dem trochäischen Septenarius; der Septenarius wird nach der Cäsur aufgeteilt, und zudem wird der erste Halbvers wiederholt. So entsteht eine dreizeilige (Teil)Strophe, der drei gleich gebaute Verse als Gegenstrophe beigefügt werden; damit ist die Strophe nun sechszeilig. – Reimschema: aabccb. Wird die erste Hälfte des Septenarius vervielfacht, ergeben sich achtzeilige oder zehnzeilige Strophen, und das Reimschema ist dann entsprechend aaabcccb oder aaaabccccb.

Franz Wellner, der Übersetzer und Herausgeber der Sequenzen von Adam von Sankt-Viktor, behandelt in seiner Ausgabe Versbau, Versformen, Reim, Strophenbau, Strophenformen und Sequenzenaufbau des Dichters eingehend; hier sind zahlreiche weiterführende und aufschlussreiche Hinweise zu finden..

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