Veni, creator Spiritus
Geschrieben von: Rabanus Maurus
Magnentius Rabanus Maurus (776/84 – 856)
Lateinisch:
Veni, creator Spiritus,
Mentes tuorum visita,
Imple superna gratia,
Quæ tu creasti, pectora.
Qui diceris Paraclitus,
Altissimi donum Dei,
Fons vivus, ignis, caritas,
Et spiritalis unctio.
Tu septiformis munere,
Digitus paternæ dexteræ,
Tu rite promissum Patris,
Sermone ditans guttura.
Accende lumen sensibus;
Infunde amorem cordibus;
Infirma nostri corporis
Virtute firmans perpeti.
Hostem repellas longius,
Pacemque dones protinus,
Ductore sic te prævio
Vitemus omne noxium.
Per te sciamus, da, Patrem
Noscamus atque Filium,
Teque utriusque Spiritum
Credamus omni tempore.
Deo Patri sit gloria
Et Filio, qui a mortuis
Surrexit, ac Paraclito
In sempiterna saecula.
Deutsch:
Komm erdwärts, Allerzeuger Geist,
Nimm Wohnung in der Deinen Brust,
Erfüll mit überirdscher Huld
Die Seelen, welche du erschufst.
Trostreichender wirst du genannt,
Geschenk vom allerhöchsten Gott,
Lebendige Quelle, Liebe, Glut
Und heiliges Salböl Menschengeists.
Du siebenfacher Gnadenhort,
Finger der rechten Gotteshand,
Vom Vater festlicher Verspruch,
Den Munden Spracheschenkender.
Zünde der Denkkraft an das Licht,
Herzkammern gieße Liebe ein;
Was kraftlos welkte uns am Leib,
Mach standhaft durch die Tugend neu.
Den Feind verjag zu weiter Flucht,
Schließ mit dem Frieden langen Bund;
Bist du uns Wegeweiseeer so,
Vermeiden alles Unheil wir.
Durch dich laß uns den Vater schaun,
Erkennen laß uns auch den Sohn,
Und dich, als dieser beiden Geist,
Lehr fest uns Glauben zeithindurch.
Ruhm sei dem Vater und dem Herrn,
Sowie dem Sohn, der auferstand
Vom Tode, und dem Tröstergeist
In Ewigkeiten Ewigkeit
Deutsch von Richard Zoozmann (1863- 1934) (bearbeitet und ergänzt)
fontes
Breviarium Romanum
Richard Zoozmann, Lobet den Herrn, S. 137ff.
scholia / marginalia
In Festo Pentecostes ad Vesperam et ad Tertiam.
Zur Terz und zur Vesper am Pfingstsonntag.
Sabbato quatuor Temporum Pentecostes. Ad Tertiam
In der Fassung für den liturgischen Gebrauch wurde im Brevier eine formelhafte Schlussstrophe (Doxologie) angefügt.
Zudem sind in der liturgischen Fassung weitere, kleinere Veränderungen beziehungsweise Wortumstellungen zu verzeichnen.
Die letzten beiden Strophen sind dem Hymnus später hinzugefügt worden (Henri Spitzmuller, S. 357, Anm. 24); sie fehlen im „Breviarum Romanum“.
Da gaudiorum præmia,
Da gratiarum munera,
Dissolve litis vincula,
Astringe pacis fœedera.
Præsta, pater piissime
Patrique compar unice,
Cum spiritu paracleto
Regnans per omne sæculum.
Gib uns die Belohnung der Freuden,
Gib uns das Geschenk der Gnade,
Löse die Fesseln des Streits,
Stärke die Bündnisse des Friedens.
Gewähre es, gütigster Vater,
Und du Eingeborener, dem Vater gleich,
Mit dem heiligen Geist, dem Tröster,
Herrschend in alle Ewigkeit.
Johann Wolfgang von Goethe hat diesen Hymnus noch in späten Jahren übersetzt.
Veni Creator Spiritus Weimar, den 10. April 1820
Komm heiliger Geist, du Schaffender,
Komm, deine Seelen suche heim;
Mit Gnaden-Fülle segne sie
Die Brust, die du geschaffen hast.
Du heißest Tröster, Paraklet,
Des höchsten Gottes Hoch-Geschenk,
Lebend’ger Quell und Liebes-Glut
Und Salbung heiliger Geistes-Kraft.
Du siebenfaltiger Gaben-Schatz,
Du Finger Gottes rechter Hand,
Von ihm versprochen und geschickt,
Der Kehle Stimm’ und Rede gibst.
Den Sinnen zünde Lichter an,
Dem Herzen frohe Mutigkeit,
Daß wir, im Körper wandelnden,
Bereit zum Handeln sei’n, zum Kampf.
Den Feind bedränge, treib’ ihn fort,
Daß uns des Friedens wir erfreun,
Und so an deiner Führer-Hand
Dem Schaden überall entgehn.
Vom Vater uns Erkenntnis gib,
Erkenntnis auch vom Sohn zugleich,
Uns, die dem beiderseit’gen Geist
Zu allen Zeiten gläubig flehn.
Darum sei Gott dem Vater Preis,
Dem Sohne, der vom Tod erstand,
Dem Paraklet, dem wirkenden,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Weimarer Ausgabe Bd. 4, S. 329 bzw. Bd. 5,2, S. 204f.
In einem knappen „Kommentar“ in den „Maximen und Reflexionen“ schreibt er über diesen Hymnus:
„Der herrliche Kirchengesang: Veni creator Spiritus ist ganz eigentlich ein Appell ans Genie; deswegen er auch geist- und kraftreiche Menschen gewaltig anspricht.“ (Maximen und Reflexionen 762, Hamb. Ausgabe, Bd. 12, S. 472)
metrum
Versmaß: akzentuierte akatalektische iambische Dimeter.