Hildebert von Lavardin (* 1056 – † 1133)
Erzbischof von Tours
Hildebertus Cenomannensis, Hildebertus de Lavertino, Hildebert von Lavardin. Hildebert, einer der distinguiertesten lateinischen Dichter des gesamten Mittelalters, erblickte 1056 auf dem Kastell von Lavardin bei Montoire-sur-Loire das Licht der Welt. Sein Vater, ebenfalls Hildebert genannt, war Dienstmann des Salomon von Lavardin, seine Mutter trug den Namen Beresindis. Man hat Hildebert zu einem Schüler Berengars von Tours gemacht, dem er ein Epitaphium gedichtet; es ist uns indes leider über Hildeberts literarischen Werdegang nichts berichtet. Er tritt uns zuerst (nach 1085) als Scholaster der Domschule von Le Mans entgegen; 1091 wird er vom Bischofe Hoël zum Archidiakonus befördert und nach dessen Tode (Juli 1096) in zwiespältiger Wahl zum Bischofe von Le Mans gekürt. Der Herr von Le Mans, Élie de la Flèche, stimmte der Wahl zu, der Lehnsherr, Wilhelm der Rote von England, lehnte sie ab; erst zu Weihnachten konnte die Konsekration erfolgen. Als drei Jahre später, nach der zweiten Fehde gegen Élie de la Flèche der König nach Le Mans kam, führte er Hildebert in einer Art Gefangenschaft mit sich nach England, weil der Bischof sich weigerte, die Türme seiner Kathedrale niederzulegen, von denen aus, wie der König behauptete, seine Truppen beschossen worden seien. Erst der Tod Wilhelms (2. August 1100) gab Hildebert die Freiheit wieder. Er benutzte sie zu einer Romreise, erbat von Paschal II. seine Enthebung, kehrte aber, als diese verweigert wurde, mit reichen Mitteln für den Ausbau seiner Kathedrale nach Hause zurück (Pfingsten 1101).
Im Jahre 1112 ward Hildebert hinterlistigerweise von Hubert, Truchseß des Grafen Rotrou du Perche, in Nogent-le-Rotrou gefangen gesetzt und bis März 1113 in Haft gehalten. Im Jahre 1116 erschien in Le Mans, eben als Hildebert seine zweite Romreise antrat, Heinrich von Lausanne, erbat und erhielt die Erlaubnis, in der Diözese zu predigen und benutzte die Gelegenheit, diese gegen den abwesenden Bischof aufzuwiegeln. Als Hildebert um Pfingsten zurückkehrte, entwich der fanatische Sektierer aus der Stadt nach Saint-Calais und bald auch aus dem Sprengel, doch hatte der Prälat noch lange zu tun, bis sich die Wogen wieder glätteten, die jener erregt hatte.
Am 25. April 1120 erlebt Hildebert die Freude, die im wesentlichen vollendete Kathedrale zu konsekrieren; 1123 reiste er ein drittes Mal nach Rom zu Calixt II. und wohnte aller Wahrscheinlichkeit nach dem Laterankonzile dieses Jahres bei. Sicher ist seine Anwesenheit auf dem Konzil zu Chartres 1124. Nach dem Tode Gisleberts von Tours ward er von Klerus und Volk des Erzbistums einstimmig zum Nachfolger erwählt. Lange schwankte er, ob er die Wahl annnehmen solle; ein Befehl des Papstes und die Anerkennung des Königs von Frankreich machten seinem Schwanken ein Ende. Auch diese letzten Jahre Hildeberts verliefen nicht ohne Störungen; sie brachten ihn in Gegensatz zum Könige, der das Recht beanspruchte, die Dignitäten des Sprengels zu vergeben; mit dem Bischofe von Dol, der auf die Metropolitanwürde über die bretenoischen Bistümer Ansprüche erhob. In dem römischen Schisma von 1130 nahm Hildebert eine zuwartende Stellung ein; noch im Februar weihte er eine Kapelle des Klosters Redon; den 18. Dezember desselben Jahres entschlief er zu Tours, siebenundsiebzig Jahre alt. Vgl. über Hildeberts Leben Dieudonné, Hildebert de Lavardin, évèque du Mans, archévèque de Tours (1056 bis 1133). Sa vie, ses lettres. Paris 1898.
Wir besitzen von Hildeberts poetischen Werken nur eine vollständige (leider zu vollständige) Ausgabe, die von Beaugendre (1708), welche 1854 von Bourassé neu herausgegeben und noch weiter „vervollständigt“ wurde (Migne EP. LL. 171); beide Herausgeber haben nämlich ohne Berechtigung und Beweis, ja vielfach ohne den Versuch eines solchen, Hildebert Dinge zugelegt, die dieser nie geschrieben hat. Dies veranlaßte Hauréau zu seinen vorbildlichen Untersuchungen: Les Mélanges Poëtiques d’Hildebert de Lavardin, Paris 1882. Nur verschwindend wenige unter Hildeberts lyrischen Gedichten lassen sich den Hymnen (im weiteren Sinne) zuzählen. Dies Wenige findet man Anal. hymn. L, 408 – 422 zusammenge–stellt. Besitzen wir von Hildebert an Hymnen wenig, so wiegt aber dies wenige ganze Bücher von Hymnen und Gedichten auf. Hätte er auch nur die im Nachfolgenden wiedergegebene Oratio ad ss. Trinitatem gedichtet, so würde dies eine Gedicht mit seiner theologischen Tiefe im ersten Teile und der Tiefe des Gefühles in den letzten Abschnitten genügen, ihn für immer den besten Hymnoden aller Zungen zuzuzählen. Eine deutsche Übertragung findet man in meinem Werkchen: Die Kirche der Lateiner in ihren Liedern, Kempten 1908, S. 86.
(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 212f.)
Literatur
Hildebert v. Lavardin. - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 5. Hermeneutik bis Kirchengemeinschaft. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 1996, Sp. 104