Walafridus Strabo (* Herbst 807 – † 18. 8. 849)
Abt von Reichenau
Walahfrid, mit dem Beinamen Strabo oder Strabus (der Schieler), war nicht „venerabilis Bedae sive frater sive consanguinesus“ (Pitseus), sondern von Eltern niederer Herkunft, alamannischen Stammes, zu Anfang des neunten Jahrhunderts geboren und kam als Knabe unter Abt Haito (806 – 823) in die Reichenau, wo nacheinander Erlebald, Wettin, Tatto und Grimald seine Lehrer wurden. Später begab er sich zu Raban nach Fuld, kam durch den Erzkanzler Hilduin an den Hof Ludwigs des Frommen und ward Erzieher seines Sohnes Karl. Nach Abt Erlebalds Tode verlieh ihm Ludwig die Abtei Reichenau, aus der er indes schon bald von Ludwig dem Deutschen verdrängt, 842 aber wieder eingesetzt wurde. Er starb 849 in Frankreich auf einer Reise zu seinem ehemaligen Schüler Karl. Seine irdischen Überreste wurden auf der Reichenau bestattet. Vgl. Ebert, Zu der Lebensgesch. Walahfrid Strabos (Bericht über die Verhandlungen der kgl. sächs. Gesellsch. d.Wissensch. Philol. Hist. Kl. XXX (1878), S. 100ff.
Walahfrids Gedichte, unter denen sich nur eine kleine Anzahl von Hymnen befinden – denn die Handschrift, von der Jo. Pitseus (Realationum historicarum Tom. I (Parisiis 1619), p. 146 redet: „Sacrorum hymnorum librum unum, Oxonii in Bibliotheca publica“, scheint verschollen -, sind uns in verschiedenen, vorwiegend aber in St. Gallischen Handschriften erhalten (vg. Dümmler, Neues Archiv IV, 271ff.). Die Hymnen findet man Anal. hymn. L, 167 – 179 nach der Ausgabe Dümmlers (Poetae Aevi Carolini II, 259sqq.) unter Beifügung weiterer Lesarten für die verbreiteteren wiedergegeben. Aus ihnen sind die nachstehenden Proben ausgewählt.
(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 72)
Die weltlichen Gedichte des Walahfrid Strabo sind heute wohl bekannter als seine geistlichen Hymnen, was damit zusammenhängen mag, dass eine wichtige Handschrift mit geistlichen Hymnen als verschollen gilt.
Unter den weltlichen Dichtungen des Walhfrid Strabo, der zu den bedeutendsten Dichter der karolinigschen Renaissance zählt, seien unter anderem das "Lob der Reichenau" (Musa, nostrum, plange, soror, dolorem), das liebenswürdige Gedicht "Ad amicum. Cum splendor lunae" (An den Freund. Wenn der Mond scheint) und dann der Hortulus (Liber de cultura hortorum) genannt. Dieses 444 Hexamter umfassende Werk gehört zum Bedeutendsten, das in der Nachfolge von Vergils Georgica geschrieben wurde.
"Walahfrid ist eine liebenswürdige, sonnige Natur gewesen. Hochbegabt und gewandt, war er trotz seines kurzen Lebens ein tüchtiger Gelehrter und Schriftsteller. Aber mehr als dies: er war ein begnadeter Dichter, dessen Begabung sich früh entfaltete. Sein literarisches, vor allem sein poetisches Werk stellt ihn in die erste Reihe des europäischen Mittelalters."
(Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. München 1975, S. 346)
Literatur
Walahfrid Strabo - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 10. Thomaschristen bis Žytomyr. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 2001, Sp. 946f.
Walahfrid Strabo - Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. München 1975, S. 345 - 358
Walahfrid Strabo - Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Justinian bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts. München 1965 (unveränderter Nachdruck der 1911 erschienenen ersten Auflage), S. 302 - 315
Arno Borst, Mönche am Bodensee 610 - 1525. Zweite Auflage. Sigmaringen 1985