Ave, verum corpus natum
Geschrieben von: Thomas Aquinas
Sequenzen
Thomas Aquinas (um 1224 – 1274)
Lateinisch:
Ave, verum corpus natum Ex Maria virgine,
Vere passum, immolatum In cruce pro homine,
Cuius latus perforatum Vero fluxit sanguine,
Esto nobis prægustatum Mortis in examine.
O dulcis, o pie,
O fili Mariæ.
Miserere mei.
Lateinisch:
Sei gegrüßt, wahrer Leib, geboren von der Jungfrau Maria,
er hat in Wahrheit gelitten, geopfert am Kreuz für den Menschen,
aus seiner durchbohrten Seite floss wahrhaft Blut,
du sollst von uns gekostet sein vor der Prüfung des Todes.
O süsser, o milder,
O Sohn Marias.
Erbarme dich meiner.
nach verschiedenen Übersetzungen
fontes
Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Dichtung, II, S. 218
scholia / marginalia
Im Jahre 1264 führte Papst Urban IV. das Fronleichnamsfest ein. Mit der Abfassung des Officiums beauftragte er Thomas von Aquin. Für die Tagzeiten verfasste dieser zur Vesper „Pange, lingua, gloriosi corposis Mysterium“, zur Matutin „Sacris solemnis iuncta sint gaudia“ und zu den Laudes „Verbum supernum prodiens“. Für die Messe des Fronleichnamsfestes verfasste er die Sequenz „Lauda, Sion, salvatorem“. In den Umkreis dieser Schöpfungen gehören ferner das „Adoro Te devote“ und das „Ave verum“.
Die Verfasserschaft von Thomas von Aquin für das „Ave, verum“ scheint gesichert („Cette séquence, dont l’attribution à Saint Thomas d’Aquin est contestée avec des serieuses raisons ...“ Henry Spitzmuller, S. 978, Anm. 45). Guido Maria Dreves, lässt die Frage, ob wir in diesem Reimgebet eine Sequenz vor uns haben, offen (Guido Maria Dreves, ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung, II, S. 218f.).
Der letzte Vers ist eine spätere Zutat, gelegentlich auch „in excelsis“.
Nicht ganz einfach und unproblematisch ist die Wiedergabe des Verses „esto nobis praegustatum“ in der Übersetzung.
„Du sollst uns Vorgeschmack sein in der Prüfung des Todes“ ist diffus und wenig stringent. Mit dem Leib (Christi) ist auch die Eucharistie gemeint, also vielleicht eher „Du sollst von uns vorgekostet sein vor der Prüfung des Todes“. Auf diese sprachliche Sinndeutung weisen auch Übersetzungen hin wie
„Sollen wir gekostet haben
wenn der Tod uns prüfen wird“ (de.wikipedia.org/wiki/Ave_verum),
wenn dabei nicht sogar auch an die letzte Wegzehrung gedacht wird:
„Sei uns Vorgeschmak im Streite,
Himmelskraft in Sterbensnot!“ (de.wikipedia.org/wiki/Ave_verum).
Berühmt geworden ist dieses Reimgebet vor allem durch die Vertonung von W.A. Mozart, in einer leicht veränderten Textfassung.
metrum
Versmaß: Wechsel von betonten katalektischen trochäischen Dimetern mit akatalektischen; gereimt ab ab ab ab cc.