Ave, virgo generosa
Geschrieben von: Conradus Gemnicensis
Conradus Gemnicensis († 17. 8. 1360)
Lateinisch:
Ave, virgo generosa,
Sponsa Christi, Agatha,
Cuius fragrant velut rosa
Virtutum aromata.
Salve, mitis et benigna,
Mente fervens Agatha,
Nobis linquens fide digna
Exemplorum dogmata.
Gaude, fortis et honesta
Triumphatrix Agatha,
Quæ pro Christo fers molesta
Passionum stigmata.
Vale, decens forma morum
Lux virtutum Agatha,
Tumulanda Angelorum
Turmis es circumdata.
Eia, clemens et beata,
Pia, dulcis Agatha,
Prece confer mihi grata
Pneumatis charismata.
Me de mundo transfer isto
Cæli ad agalmata,
Ut in ævum fruar Christo
Tecum gaudens, Agatha.
Deutsch:
Sei gegrüßt, o hehre Jungfrau,
Braut des Heilands, Agatha,
Deren Tugend Duft entsendet
Gleich der Rose fern und nah!
Gruß dir, gütige und milde,
Geistentbrannte Agatha,
Deren Vorbild unbezweifelt
Steht für alle Zeiten da.
Freue dich, du edle, starke,
Sieggekrönte Agatha,
Hat mit seinen Leidensmalen
Christus dich bezeichnet ja.
Lebe wohl, du Sittenspiegel,
Licht der Tugend, Agatha,
Die du sterbend von der Engel
Scharen sich umgeben sah.
Eja, milde und beglückte
fromme, süße Agatha
Bitt für mich, auf daß die Gabe
Heilgen Geistes ich empfah'.
Trag mich fort von dieser Erde
Auf zum Himmel, daß ich da
Mich mit dir, den Heiland schauend,
Freu auf ewig, Agatha
Deutsch von Lebrecht Dreves (1816 – 1870)
fontes
Guido Maria Dreves, Die Kirche der Lateiner in ihren Liedern. Kempten, München 1908, S. 185f. und 117f.
scholia / marginalia
"Fügen wir noch das Lied auf die hl. Agatha, wenigstens in abgekürzter Form bei, da uns dasselbe als Beispiel dienen kann, wie Konrad die Heiligenlieder behandelt. Der Übersetzer hat nur die Strophen ausgwählt, welche mit den Grußworten Ave, Salve, Gaude, Vale und Eia beginnen; die Strophen oder Strophengruppen mit diesen fünf Worten, zu denen oft noch der Ausruf O kommt, beginnen zu lassen, ist eine Liebhaberei des Dichsters, die auch in seinen Marienliedern vorkommt."
Guido Maria Dreves, Die Kirche der Lateiner in ihren Liedern. Kempten, München 1908, S. 117
"Konrad von Gaming war in Deutschland ein vielgelesener Autor, weit mehr als sein Vorbild Christian von Lilienfeld, dessen Gedichte fast ausschließlich in Handschriften seines Stiftes, die er zum Teile selbst geschrieben hat, erhalten sind. Selbst Nachahmer Christians, fand Konrad daher andere, die sich durch ihn anregen ließen, in seiner Art zu dichten, wenngleich sie meist hinter ihrem Vorbilde zurückblieben."
Guido Maria Dreves, Die Kirche der Lateiner in ihren Liedern. Kempten, München 1908, S. 118