Thomas Kempensis

Kanonikus zu Zwolle (* 1379 – † 1471)

Thomas von Kempen. Frater Thomas Kempis, wie er selbst sich schreibt, entstammt dem niederrheinischen Städtchen Kempen, wo er 1379 (oder 1380) das Licht der Welt erblickte. Sein Vater Johann Hemerken war Handwerker von Stand, seine Mutter hieß Gertrud Kuyt. Als die Schulen der Heimat dem Jünglinge nicht länger genügten, ging derselbe, sich weiterzubilden, nach Deventer (spätestens 1392), wo er zunächst bei Florentinus Radewyns, Vikar der Kirche zu Deventer, dann bei einer frommen Witwe und schließlich wieder bei Radewyns in dessen zu einer Niederlassung der Fraterherrn umgewandelten Wohnung Unterkommen fand und bis 1399 verblieb. Ende September dieses Jahres erbat und erhielt er die Aufnahme in das regulierte Chorherrenstift Agnetenberg bei Zwolle, doch erfolgte seine Einkleidung erst 1406. Den 26. Juli 1413 ward er zum Priester geweiht, begab sich 1424 nach Windesheim, ward, wahrscheinlich 1425, zum ersten Male zum Subprior erwählt und mußte den 11. Juni 1429 mit den übrigen Konventualen infolge der strittigen Utrechter Bischofswahl den Agnetenberg verlassen und bis 1432 in Lunenkerk bei Harlingen eine Zuflucht suchen. Im Jahre 1448 ward er, nachdem er zeitweise auch dem Rentamte vorgestanden, zum zweiten Male zum Subprior gewählt. Im Alter von Wasser in den Beinen belästigt, starb er im 92. Lebensjahre den 25. Juli 1471.

Es ist hier nicht der Ort, von den andern Schriften des gottseligen Thomas von Kempen, insonderheit von dem unvergleichlichen Werke der „Imitatio Christi“ zu reden, das seinen Namen unsterblich gemacht hat und das nach der Bibel das gelesenste aller Bäücher geworden ist. Seine Hymnen und religiösen Dichtungen sind uns teils in den gedruckten Ausgaben seiner Werke, teils handschriftlich erhalten. Unter den Handschriften steht in erster Linie das Thomasautograph vom Jahre 1456, Cod. Bruxellen. 4585-87: „Anno Domini McccclVI finitus et scriptus per manus fratris Thomae Kempis.“ Die Handschrift enthält mehrere Dichtungen mit ihren Singweisen; diese wurden von Coussemaker unter dem unzutreffenden Titel „Chants Liturgiques de Thomas Kempis“ veröffentlicht in dem Messager des sciences historiques de Belgiques, 1856, p. 66ff. Als liturgisch können nämlich unter den in den Anal. hymn. XLVIII, 475 – 514 zum ersten Male vollständig herausgegebenen religiösen Dichtungen des Verfassers der Imitatio Christi nur die ersten neun Nummern gelten, von denen nur eine (Nr. 4) auch handschriftlich vorkommt. Alle übrigen gehören der außerliturgischen Erbauungspoesie, dem Reimgebete an, auch dann, wenn sie, wie meist der Fall, mit Singweisen versehen und diese dem liturgischen Hymnen, Sequenzen- und Antiphonengesange entlehnt sind. Thomas dichtete auf solche, ihm aus dem Chorgesange geläufige Weisen neue Texte, um dieselben zu seiner Erbauung nicht nur zu rezitieren, sondern auch zu singen.

Diese Dichtungen sind also, wenn man will, „gesungene Leselieder“ oder, wie man sich später ausgedrückt haben würde, eine Art „christlicher Hausmusik“. Eine Sammlung solcher, der liturgischen entlehnten Hausmusik ist auch die zweite Handschrift, die uns Lieder des frater Thomas überliefert, ein im Fraterhaus zu Zwolle geschriebenes Gesangbüchlein, jetzt Cod. 434 der Stiftung Emmanuelhuizen in Zwolle. Die Lieder dieser Handschrift wurden zuerst von Spitzen herausgegeben in seiner Nalezing op mijn Thomas a Kempis, Utrecht 1881, 62 – 74. Verwandten Charakters ist die Karslruher Handschrift 368, eine Sammlung von meist mit Singweisen versehenen Liedern, die im August 1786 aus der Auktion Julius’ von der Hardt in die heutige großherzogliche badische Landesbibliothek überging.

Die Lieder dieser Handschrift hat Mone in seinen Lateinischen Hymnen des Mittelalsters an verschiedenen Stellen gedruckt, ohne indes in Thomas den Verfasser zu erkennen. Weniger reichhaltig an Liedern ist die Handschrift 7970 der k.k. Familienfideikommißbibliothek in Wien, ein aus den Niederlanden stammendes musikalisches Quodlibeticum. Außer den Liedern enthält diese Handschrift, ähnlich wie auch Cod. Zwollen. und selbst Bruxellen., eine Anzahl von Antiphonen und Responsorien mit Singweisen, die augenscheinlich Thomas zum Verfasser haben, aber in Prosa abgefaßt sind. Ebenso können aus demselben Grunde auch die Akrostichen auf die Namen Caecilia, Agnes und Clara (Opera Omnia, 1607, II, 597 sq.) nicht in den Rahmen der Dichtungen einbezogen werden. Es sind keine Hymnen, auch in des Wortes weitestem Verstande nicht. Dasselbe gilt von der in vernachlässigten Versen geschriebenen „Vita boni monachi“ (Opera Omnia 1. c. 590 sqq.); in das Gebiet der religiösen Lyrik kann es nicht wohl einbegriffen werden.

(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 472f.)

Literatur

Thomas Hemerken v. Kempen. - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 9. San bis Thomas. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 2000, Sp. 1531f.

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