O beata legio

Anonymus

Lateinisch:

O beata legio,
Cum quanto præconio
Palmam tuam recolam!

Quæ duce Mauritio
Celebri martyrio
Possides aureolam.

Abel iuste decimans
Oves pingues victimans
A Cain occiditur;

Sic decimum proferens
Et Deo cor offerens
Legio perimitur.

Florente nequitia
Superna tam vitia,
Veritas obruitur,

Perit innocentia
Damnatur iustitia
Modestia tollitur.

Lagenarum fractio
Dat cum lucis radio
Gedeoni gloriam,

Sic mors vasis lutei
Cum lumine fidei
Thebæis victoriam.

Et qui cuncta conspicit
Hos quos mundus abiicit
Coronat in patria.

Qui Martyrum precibus
Nos cum cæli civibus
Coniungat in gloria.



deutsch:

O glückselige Legion,
mit wie grossem Preis möchte
ich deine Siegespalme feiern!

Die du mit dem Feldherrn Mauritius
durch sein berühmtes Martyrium
die Strahlenkrone besitzst.

Wie Abel, der zu Recht zum Opfer
die wohlgenährten Schafe dezimiert,
von Kain getötet wird,

so wird die Legion vernichtet,
als jeder Zehnte vortritt
und Gott sein Herz darbietet.

Wenn die Bosheit
als höchstes Laster gedeiht,
wird die Wahrheit verdunkelt,

geht die Unschuld verloren,
wird die Gerechtigkeit beschädigt,
wird die Sittsamkeit zerstört.

Wie das Zerschlagen der Krüge
mit dem Strahl des Lichts
Gedeon den Siegesruhm gibt,

so gibt das Zerschlagen des irdenen Gefässes
mit dem Licht des Glaubens
der thebäischen Legion den Sieg.

Und der alles sieht,
krönt in der ewigen Heimat
jene, die die Welt erniedrigt.

Auf die Fürbitte der Märtyrer
vereinigt er uns mit den Bewohnern
des Himmels in Herrlichkeit.

Deutsch von René Strasser

In memoriam Abt Dr. Petrus Borne (1910 - 1976), Abtei St. Mauritius, Tholey, älteste Klostergründung Deutschlands

fontes

Analecta hymnica medii aevi. Herausgegeben von Clemens Blume und Guido Maria Dreves. XL, Sequentiae ineditae. Liturgische Prosen des Mittelalters. Siebente Folge. Leipzig 1902, S. 255

Der Text ist in einem Manuskript in Pescia aus dem 15. Jahrhundert und in einem Londoner Codex überliefert. - Die Sequenz findet sich auch in einem Sequentiar des Museum of Fine Arts, Boston. Accession number 80.504; folios 32v - 34. Die Handschrift ist in der königlichen Dominikanerpriorei St. Louis de Poissy entstanden; diese wurde 1304 von Philipp IV. gegründet, in der französischen Revolution zerstört und danach abgerissen.

http://www.mfa.org/collections/object/sequentiary-53348

scholia / marginalia

De Sancto Mauritio sequentia
Sequenz vom heiligen Mauritius

Gedenktag des Heiligen ist der 22. September.

Die lagenarum fractio (das Zerschlagen der Krüge, siebte Strophe) ist eine Anspielung auf Richter 7,16 - 23. Gedeon ließ seinem Gefolge als eine Art Kriegslist Posaunen und Krüge, in denen sich Fackeln befanden, verteilen. Im Verlauf der Kampfhandlung zerschlugen sie die Krüge, nahmen die Fackeln zur Hand und der Lichtschein wurde sichtbar.

Das "Zerschlagen des irdenen Gefäßes" (achte Strophe) meint den Tod des sterblichen Leibs der Legionäre.

Nach der Überlieferung war Mauritius römischer Offizier und Anführer der thebäischen Legion, die in der Thebais in Ägypten ausgehoben wurde und die nur aus Christen bestand. Die Legion war in Agaunum an der Rhone, dem heutigen St-Maurice im Wallis (Schweiz), stationiert. Als sich die Legionäre weigerten, den alten Göttern zu opfern, ließ Kaiser Mamiminian, der sich zu jener Zeit in Octodurum (Martigny, Wallis) aufhielt, die Legion mehrmals dezimieren und so die ganze Einheit vernichten.

Die älteste Quelle, welche die Geschichte des Mauritius und seiner Legionäre überliefert, ist die Passio Agaunensium martyrum (entstanden um 430) des Eucherius von Lyon (vor 410 - um 450).

Die Gebeine der Ermodeten wurden um 380 aufgefunden.

Am 22. September 515 gründete Sigismund, der spätere Burgunderkönig († 523/24), bei der Grabstätte ein Kloster, die heutige Abbaye Saint Maurice.

Die Abbaye Saint Maurice gilt als das älteste Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbruch bis zum heutigen Tag bewohnt war. Zum Auftakt der 1500-Jahr-Feiern, die von der Unesco unterstützt werden und die am 22. September 2014, dem Gedenktag des Heiligen und seiner Gefährten, beginnen und ein ganzes Jahr dauern, veröffentlicht das Hymnarium die Sequenz O beata legio aus dem 15. Jahrhundert; zum Abschluss des Jubeljahrs wird der Hymnus Alma Christi quando fides vom Ende des 10. oder vom Anfang des 11. Jahrhunderts folgen.

In Deutschland ist Mauritius Patron der Abtei St. Mauritius in Tholey, älteste deutsche Klostergründung, und Patron des Doms und früher auch des Mauritius-Klosters in Magdeburg; er galt auch Schutzpatron der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.

In Frankreich ist Mauritus Patron der Cathédrale Saint-Maurice in Angers. An der Ostwand des nördlichen Querschiff wird Mauritius in einem Glasfenster aus dem 15. Jahrhundert dargestellt. In der Nachbarstadt Tours wird der heilige Martin, ein anderer römischer Soldat, verehrt.

Auch die Kathedralen von Mirepoix und Vienne sind dem heiligen Mauritius geweiht.

Aus der "Legende des heiligen Mauritius" hier die wichtigsten Episoden:

Der liebe Herr Sankt Mauritius war ein Herzog in der Stadt Theba. Die Stadt ist an der vier Wasser eins gebaut, die aus dem Paradies gehen. Und die Stadt war so groß, daß hundert Tore in der Stadt Mauer gingen. Da hätt Sankt Jaob, (der Unserm Herrn gleich war) die Stadt und das Land bekehret zu Christilichem Glauben. Und nach Unsers Herrn Geburt über zweihundert und achtzehn Jahr, da war Maximinian und Diokletian beide Kaiser zu Rom. Und die waren beid Heiden, und schrieben Brief in die Lande, da Sankt Mauritz Herzog war, und geboten ihnen auch, daß sie kämen. Da kam Sankt Mauritius mit einem großen Volk, das waren sechstausend sechshundert und sechsundsechzig Mann, und waren Sankt Mauritius, Gereon, Candidus, Innocentius, Viktor und Constantin, die sechs, Herren über die anderen. Und jeglicher hätt tausend und hundert und zehen Mann unter sich. Und kamen mit großer Herrschaft zu dem Kaiser, und doch den Christen nicht zu Leid.

Wann Sankt Mauritz und die anderen Herren all, die bei ihm waren, und auch ihre Gesind, waren all Christen und hätten Gott lieb. Und waren größer an dem Leibe dann ander Menschen, auch kühner, behender, weiser und frischer, auch schöner dann ander Menschen. Und da die Schar gen Hof kam, da war ihrer der Kaiser Diokletian gar froh. Und hieß sie Maximinian, überall mit den Fürsten und Herren reiten, daß sie die Christen zwüngen, daß sie den Abgöttern söllten opfern. Und da nahm Maximinian das Heer mit sich, und kam auf den Weg und wöllt da den Abgöttern opfern. Da machet sich der heilige Mauritius mit seinem Heere von ihm und ritt dar zu dem Papst Marzellian. Der saget ihnen das Gottes Wort mit ganzen Treuen vor. Und sprach zu ihnen: "Lieben Kind, lasset euch des Christlichen Glaubens niemand berauben, und leidet eh den Tod um die Ewige Freude, die euch dort im Himmelreich wird." Von dem Trost wurden sie all gar kühn. Da wurde Maximinian von Sankt Mauritzen und von seinem Heer gesagt, daß sie Christen wären, und daß sie von ihm entwichen wären, und daß sie seinen Göttern nicht wöllten opfern. Das tät ihn zürnen, und sendet nach ihnen und entbot ihnen, daß sie zu ihm kämen und seinen Göttern opferten. Da entboten sie ihm hinwieder, sie hätten sich zu Christlichem Glauben verbunden, darum wöllten sie seinen Abgöttern nicht opfern. Da er das höret, das tät ihn zürnen. Und entbot ihnen, wöllten sie ihren Glauben nicht lassen und wöllten ihm nicht folgen, so sölle man je den zehenten Mann unter ihrem Heer töten.

Das saget man Sankt Mauritzen und seinem Heer. Da waren sie gar fest an ihrem Glauben, und ließen Schild und Schwert fahren und reckten ihre Häls dar. Da sprach Sankt Mauritz zu seiner Ritterschaft: "Wohl mir, daß ich seh, daß ihre alle stark an Christlichem Glauben seied, daß ihr den Tod nicht fürchtet." Und sprach zu des Kaisers Dienern: "Wir wöllten uns eurer wohl erwehren mit unserer großen Ritterschaft, so leiden wir gern durch Gott." Da tötet man je den zehenten Mann, da ward Mauritus auch erschlagen. Darnach sprach der Kaiser zu seinen Dienern: "Nun, wöllen sie unsere Götter noch nicht anbeten, so erschlaget aber den zehenten!" Da erschraken sie aber nicht, und waren fest an Gott. Und sprach Sankt Gereon: "Wir sollen uns wappnen mit Geduld, mit Demut, Unserem Herrn Jesus Christo zu Lobe. Und söllen dem Kaiser heißen sagen, daß wir uns des Christlichen Glaubens niemand lassen berauben. Und seien bereit zu leiden, als das Gott löblicher ist." Da man das dem Kaiser saget, da ward er gar zornig, und ritt zu den Christen. Da fielen sie alle fröhlich auf ihre Knie und opferten sich dem allmächtigen Gott. Da schlug man sie all zu Tod, da fuhren ihre Seelen zu den Ewigen Freuden. Da nahmen die Heiden ihr Gewand und teilten es unter sich. Und saßen bei den toten Christen und aßen und trunken. Darnach starb Maximinian an einen Galgen, das hätt er an den Heiligen verdienet, wann er war an viel Christen schuldig. Das muß er ewiglich büßen in der Höllen.

Der Heiligen Leben und Leiden, anders genannt das Passional. Zweiter Band: Sommerteil. Herausgegeben von Severin Rüttgers. Leipzig 1913, S. 421ff.

Der heilige Mauritus in der bildenden Kunst

Der heilige Mauritius ist in der bildenden Kunst häufig dargestellt worden. Am berühmtesten sind die Gemälde von Mathis Gothart-Nithart (Mathias Grünewald) (1475 - 1528) und El Greco (1541 - 1614) - dazu ein lesenswerter Kommentar von Christopher Howse. Seit dem späten Mittelalter wird Mauritius häufig als Mohr dargestellt.

metrum

Sechszeilige Doppelstrophen, bestehend aus je zwei dreizeiligen Halbstrophen, die durch den Reim zur sechszeiligen Strophe zusammengebunden werden.
 Reimschema: aab ccb.

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