Mane prima sabbati

Sequenzen

Anonymus

Lateinisch:

Mane prima Sabbati
Surgens Dei filius,
Nostra spes et gloria,

Victo rege sceleris
Rediit ab inferis
Cum summa victoria.

Cuius resurrectio,
Omni plena gaudio
Consolatur omnia.

Resurgentis itaque
Maria Magdalenæ
Facta est prænuntia,

Ferens Christi fratribus
Eius morte tristibus
Exspectata gaudia.

O beati oculi,
Quibus regem sæculi
Morte iam deposita
Prima est intuita!

Hæc est illa femina,
Cuius cuncta crimina
Ad Christi vestigia
Eius lavit gratia.

Quæ dum plorat et mens orat,
Facto clamat, quod cor amat,
Iesum super omnia.

Non ignorat, quem adorat,
Quid precetur; sed deletur,
Quod mens timet conscia.

O Maria, mater pia,
Stella Maris apellaris
Operum per merita,

Matri Christi coæquata,
Dum fuisti sic vocata,
Sed honore subdita.

Illa enim fuit porta,
Per quam salus est exorta;
Hæc resurgentis nuntia
Mundum replet lætitia.

Illa mundi imperatrix,
Ista beata peccatrix
Lætitiæ primordia,
Fuderunt in ecclesia.

O Maria Magdalena,
Audi vota laude plena,
Apud Christum chorum istum
Clementer concilia,

Ut fons summæ pietatis,
Qui te lavit a peccatis,
Servos suos atque tuos
Mundet data venia.

Hoc det eius gratia,
Qui regnat per omnia.

deutsch:

Früh morgens am ersten Tag der Woche,
ist der Sohn Gottes auferstanden,
Unsere Hoffnung und unser Ruhm.

Er hat den König der Ruchlosigkeit
überwunden und ist aus der Unterwelt
mit größtem Sieg zurückgekehrt.

Seine Auferstehung
tröstet alles
ganz voller Freude.

Und so ist Maria Magdalena
die Verkünderin
des Auferstandenen geworden;

sie bringt den über seinen Tod
traurigen Brüdern Christi
die erhofften Freuden.

O glückselige Augen,
mit denen der König der Zeiten,
schon als Toter bestattet,
gesehen wurde.

Dies ist jene Frau,
deren sämtliche Vergehen
Christi Verzeihung fanden,
als sie seine Füße wusch.

Während sie weint und ihr Geist betet,
zeigt ihre Tat, was ihr Herz liebt,
Jesus über alles.

Der, den sie anbetet, erkennt,
was erbeten wird; getilgt wird, was die
schuldbewusste Einsicht fürchtet.

O Maria, gütige Mutter,
Stern des Meeres wirst du genannt,
durch die Verdienste deiner Werke.

Als der Mutter Christi Gleichgestellte,
bist du so genannt worden,
aber in unterwürfiger Hochachtung.

Jene nämlich ist die Pforte gewesen,
von der das Heil ausgegangen ist;
diese erfüllt die Welt durch die Nachricht
des Auferstandenen mit Freude.

Jene ist die Herrscherin der Welt,
diese da, die glückselige Sünderin,
beide sind Ursprung der Freude,
sie ergießen sie in die Kirche.

O Maria Magdalena,
höre die Stimmen voller Lob.
bringe diesen Chor
gütig vor Christus,

dass der Quell der größten Gnade,
der dich von Sünden reinwäscht,
auch seine Diener und die deinen
durch die verliehene Gnade reinige.

Dies gebe dessen Gnade,
der herrscht durch alle Zeiten.

Deutsch von René Strasser

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 110f.

scholia / marginalia

In Resurrectione Domini Sequentia
Sequenz zur Auferstehung des Herrn

"Eine der verbreitetsten und beliebtesten Sequenzen des gesamten Mittelalters. Es gibt wenige Sequenzen, auf deren Melodie so viele neue Texte gedichtet worden wären, als auf diese. Es können nur das Laetabundus und die Sequenz Verbum boum et suave mit ihr in Vergleich kommen. Diese Beliebtheit verdankte die Sequenz gewiß in erster Linie ihrer Singweise; doch hat auch der Text seine Vorzüge. Auffallend ist bei den sonst überall peinlich durchgeführten Reimgesetzen der mittelalterlichen Blüteperiode das Versagen derselben in 1,1 sq. und 4.1 sq. Die Rolle, welche in diesem Liede die Person der hl. Maria von Magdala einnimmt, veranlaßte, daß dasselbe mancherorts auch für das Fest dieser Heiligen verwendet wurde."
(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 111)

Der Wortlaut des Beginns der ersten Strophe spielt an auf Markus 16.9: Surgens autem mane, prima sabbati, apparuit primo Mariae Magdalene, de quae ejecerat septem daemonia.

Philipp Zimmermann, Mane prima sabbati - Betrachtungen zu einer Sequenz im Übergang. Diss. Basel 1996 (Institut für Musikwissenschaft, Basel)

 

metrum

Die Sequenz zeigt einen symmetrischen Aufbau, dergestalt, dass sich immer zwei Strophen paarweise entsprechen; die unpaarige Eingangs- und Schlussstrophe umrahmen die paarigen.

Zwei dreizeilige Strophen, die durch den Reim zusammen gebunden werden, bilden eine Art sechszeilige Doppelstrophe.
Reimschema: aab ccb. Die Abweichungen von diesem Schema verzeichnet Guido Maria Dreves (siehe oben).

Nach der zweiten Doppelstrophe sind zwei vierzeilige Strophen eingeschoben, vor der Schlussstrophe vier vierzeilige Strophen (solche Stropheneinschübe oder -variationen finden sich auch in den Sequenzen von Adam von Sankt Viktor). Reimschema: aabb (mit Abweichungen in den letzten beiden vierzeiligen Strophen).

Kontakt/ImpressumDatenschutz