Hodiernae lux diei

Sequenzen

Anonymus

Lateinisch:

Hodiernæ lux diei
Celebris in matris Dei
Agitur memoria;
Decantemus in hac die
Semper virginis Mariæ
Laudes et præconia.

Omnis homo, omni hora
Ipsam ora et implora
Eius patrocinia;
Psalle, psalle nisu toto
Cordis, oris, voce, voto:
Ave, plena gratia.

Ave, domina cælorum,
Inexperta viri thorum,
Parens maris nescia;
Fecundata sine viro
Genuisti modo miro
Genitorem filia.

Florens hortus austro flante,
Porta clausa post et ante,
Via viris invia,
Fusa cæli rore tellus,
Fusum Gedeonis vellus
Deitatis pluvia.

Salve, splendor firmamenti,
Tu caliginosæ menti
Desuper irradia,
Placa mare, maris stella,
Ne involvat nos procella
Et tempestas obvia.

deutsch:

Das Licht des heutigen Tages
feiert das Gedächtnis der
ehrenvollen Mutter Gottes;
wir wollen an diesem Tage
ohne Unterlass Ruhm und Lobpreis
der Jungfrau Maria singen.

Jeder Mensch, zu jeder Stunde
bitte und flehe sie an
um ihren Schutz;
Lobsinge, lobpreise mit ganzer Kraft des
Herzens, des Mundes, mit der Stimme, durch
das Gebet. Sei gegrüßt, du voll der Gnade.

Sei gegrüßt, Herrin des Himmels,
ohne Erfahrung im Lager des Mannes,
Gebärende, die keinen Gatten erkannte;
schwanger geworden ohne Mann,
hast du, Tochter, deinen Erzeuger
auf wunderbare Weise geboren.

Blühender Garten unterm Wehen des Südwinds,
Geschlossene Pforte - vorher und nachher,
des Mannes unwegsamer Weg,
mit dem Tau des Himmels getränkte Erde,
mit dem göttlichen Regen
getränktes Vlies Gedeons.

Sei gegrüßt, Glanz des Firmaments,
erleuchte du von oben
den verdüsterten Geist.
Befriede das Meer, Stern des Meeres,
auf dass uns weder Sturmflut
noch heftiges Ungewitter überfalle.

Deutsch von René Strasser

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 263f.

scholia / marginalia

In Festis Beatae Mariae
An Marienfesten

Henry Spitzmuller liest V,6 "Et tempestas obira". Es besteht kein plausibler Anlass, diese Lesart zu übernehmen, da der Dichter des Hymnus den Reim korrekt durchführt, zudem die dritte und sechste Zeile jeder Strophe auf -ia enden lässt und zudem kein Grund ersichtlich ist, weshalb er in dieser letzten Zeile vom Reimschema abweichen sollte. (vgl. Henry Spitzmuller, Poésie latine chrétienne du Moyen Age IIIe - XVe siècle. Textes recueillis, traduits et commentés par Henry Spitzmuller. Bruges: Desclée de Brouwer, 1971, S. 1356)

"Auch diese Sequenz gehört zu den beliebtesten des Mittelalters und zwar ist sie gleichmäßig in Frankreich, England und Deutschland verbreitet. Die Verbreitung in liturgischen Drucken kann man bei Chevalier, Repert. hymnol. Nr. 7945 nachsehen; die in den Handschriften ist natürlich eine ungleich größere. Auf die Melodie dieser Sequenz sind zahllose andere gedichtet und gesungen worden, woraus hervorgeht, daß an der Beliebtheit der Sequenz auch die Singweise wesentlich beteiligt war. Von Léon Gautier wurde sie in der ersten Auflage der Oeuvres Poétiques d'Adam de Saint-Victor (II, 372) dem großen Victoriner zugeschrieben, in den späteren Auflagen als 'Attribution douteuse ' fallengelassen. Am Schlusse der Sequenz findet man vereinzelt andere Verse angefügt, die man einstweilen bei Kehrein Nr. 202 nachsehen möge. Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß sie unecht sind. Die Unechtheit würde, wenn sie eines Beweises bedürfte, durch die Unzahl der Nachahmungen bewiesen, deren keine diesen Zusatz kennt. Durch Vers 4 ist die Sequenz als Festsequenz charakterisiert. Sie steht aber bald zum Feste der Empfängnis, bald zu dem der Opferung, bald zu dem der Himmelfahrt Mariens, obschon sie auf keines dieser Festgeheimnisse näheren Bezug nimmt."
Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 264

metrum

Sechszeilige Doppelstrophen, bestehend aus je zwei dreizeiligen Halbstrophen, die durch den Reim zur sechszeiligen Strophe zusammengebunden werden.

Reimschema: aabccb

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