Lumen inclitum refulget

Walahfridus Strabo (*807 – †848)

Lateinisch:

Lumen inclitum refulget
Maximo orte sidere,
Quod per omnem splendet orbem
Noctis umbras aufugans.

Dux Iudææ, quem prophetæ
Iam diu prædixerant,
Nobis lætus, ecce, venit,
Bethlem nascens inclita.

Hunc regalis Virgo Mater
Partu gaudens edidit,
Gabriel quem nuntiavit
Salvatorem gentium.

Cum pastores excubantes
Cura morderet gravis,
Ad lætandum clarus ipsos
Est hortatus nuntius.

Concinebat angelorum
Turba læta laudibus,
Terræ pacem prædicantes
Cælo reddunt gloriam.

O mirandum et stupendum
Sacramentum gloriæ,
Cuncta quod supra tonantem
Virgo gestat parvula.

Factor cæli et factor orbis
Clausus alvo est feminæ,
Summus auctor angelorum
Fit præsepe conditus.

Qui polos metitur ungui,
Qui pugilo ambit solum,
Pannis paucis obvolutus
Vagit infans parvulus.

Os præclarum conditoris,
Quod formavit sæculum,
En admotum nunc libenter
Sugit matris ubera.

O Parens beata Christi,
David stirpis femina,
Tu, Regina, laus et orbis,
Lætare, alma Maria.

Voto adesto tu piorum,
Semper servans sæculum,
Patriarchis et prophetis
Tu corona gloriæ.

Nam te, Virgo nupta cælebs,
Sexus omnis appetit,
Tu parentes atque natos
Deprecando protege.

Gaude cælum cum supernis
Angelorum millibus,
Terræ et omnis plenitudo,
Pontus, astra, flumina!

Deutsch:

Aus der Höh ein Stern uns glänzet
In erhabenem Geleucht,
Der dem ganzen Erdkreis schimmert
Und die dunkle Nacht verscheucht.

Judas König, den Propheten
Uns verheißen, seht, er kam!
Bethlehem, uns zu erfreuen,
Er zu seiner Wohnung nahm.

Königliche Jungfraumutter
Ihn gebar mit Freudigkeit,
Den als Heiland aller Völker
Gabriel ihr prophezeit:

Als die Hirten auf dem Felde
Gramvoll ruhten in der Nacht,
Hat ein heller Himmelsherold
Ihnen froh es kundgemacht.

Jubelhymnen ließ erschallen
Die beglückte Engelschar:
Friede komm aus Himmelshallen
Allen Menschen immerdar.

O wie wunderbar und herrlich,
Wie geheimnisvoll es klingt,
Daß der Donnergott dem Schoße
Einer Jungfrau sich entringt.

Daß den Welt- und Himmelschöpfer
Trägt ein zarter Weibesschoß,
Und den höchsten Engelsbildner
Eine Krippe nackt und bloß.

Dessen Hand umspannt des Himmels
Weiten und den Erdenball,
Arm in Windeln liegt er weinend
Als ein Kindlein hier im Stall.

Der erhabne Mund des Schöpfers,
Der die Zeiten zählt und wiegt,
Liegt, die irdische Nahrung saugend,
An die Mutterbrust geschmiegt.

O beglückte Mutter Christi,
Jungfrau du aus Davids Stamm,
Freue dich, Maria, aller
Welten Königin lobesam.

Höre deine Gläubigen bitten,
Schütz die Erde allezeit,
Du Prophetenschmuck und aller
Patriarchen Herrlichkeit.

Jungfrau, ehelose Gattin,
Zu dir flehen Groß und Klein,
Daß den Eltern du und Kindern
Immer wollest gnädig sein.

Freue, Himmel, dich mit deinem
Tausendfachen Engelheer,
Freut euch, weite Erdgebiete,
Sterne, Ströme, Weltenmeer!

Deutsch von Richard Zoozmann (1863- 1934)

 

fontes

August Jakob Rambach, Anthologie christlicher Gesänge aus der alten und mittleren Zeit. Die vorzüglichsten griechischen, lateinischen und altdeutschen Kirchenlieder, jene zugleich in metrischen Übersetzungen, mit einigen die Geschichte derselben betreffenden Bemerkungen enthaltend. Altona und Leipzig 1817, S. 204 - 207

Lebrecht Dreves, Lieder der Kirche. Deutsche Nachbildungen alt-lateinischer Originale. Zweite Auflage. Schaffhausen 1868, S. 92 - 95

O. Hellinghaus, Hundert lateinische Marienhymnen mit den Nachbildungen deutscher Dichter, einer Einleitung und kurzen Anmerkungen. M.Gladbach, 1921, S. 204 - 209

Richard Zoozmann, Laudate Domminum. Hymnos sacros antiquiores. Lobet den Herrn. Altchristliche Kirchenlieder und geistliche Gedichte, lateinisch und deutsch. München 1928, S. 156 - 159.

scholia / marginalia

Die Tatsache, dass diese Hymne des Mönchs von der Reichenau immer wieder übersetzt wurde, spricht für ihre Beliebtheit.

Seht! ein helles Licht erglänzet,
Und mit heitrem Sonnenblick
Strahlt ein neuer Stern am Himmel;
Nacht und Dunkel weicht zurück!

Den vorlängst, von Gott erleuchtet,
Der Prophet von Ferne sah,
Sieh, er kommt, uns zu beglücken,
Kommt aus Bethlem Ephrata.

Den als Heiland der Verlornen
Gabriel vorhergesagt,
Ihn gebieret die Erwählte,
Eine unbefleckte Magd.

Sorgend ihrer Herden wartet
In der Nacht die Hirtenschar;
Gottes Engel tritt zu ihnen,
Macht das Wunder offenbar.

Von den sel'gen Geisterchören
Tönet laut des Jubels Lied:
„Ehre sei Gott in der Höhe
Und der Erde ew’ger Fried’!“

O des göttlich großen Wunders!
O der Tat, die keiner faßt!
Der, der über alles herrschet,
Wird, wie wir, der Erde Gast.

Eines Weibes Leib umschließet
Den, der selbst die Welt gemacht:
Und in einer Krippe lieget,
Der die Erd’ hervorgebracht.

Dessen Hand das Weltall fasset
Und den ganzen Erdkreis mißt,
ist ein schwaches Kind und weinet;
Eine Windel ihn umschließt.

Der der Weisen Reich gestiftet,
Dem des Lebens Quell entfloß,
Suchet Nahrung und Erquickung,
Ruhend in der Mutter Schoß.

Glücklichste von allen Müttern,
Du, der Menschheit hohe Zier,
Du, vom Herrn gebenedeiet,
Davids Sproße, Heil sei dir!

Göttlicher, den sie geboren,
Den die Himmelsbürger sehn,
Der Gerechten Ehrenkrone,
Höre gnädig unser Flehn!

Dein getrösten wir uns alle;
Greis und Jüngling harren dein;
Laß die Jugend, laß das Alter
Immer deiner Hülf’ sich freun!

Ja, es freu' sich alles deiner,
Himmel, Erde, Luft und Meer,
Aller Staubbewohner Menge
Und der Engel zahllos Heer!

Deutsch von August Jakob Rambach (1777 – 1851)

*   *   *

Ein erhabnes Licht erglänzet,
seit der hehrste Stern erwacht,
Der dem ganzen Erdkreis leuchtet,
der die Schatten scheucht der Nacht.

Judas König, den Propheten
schon verkündigt ehedem,
Gern für uns ist er erschienen
im beglückten Behlehem.

Sein sich freuend, hat geboren
jene königliche Maid
Ihn, den Gabriel als Heiland
aller Völker prophezeit.

Als die Hirten auf dem Felde
lagen da in tiefem Leid,
Hat ein lichter Himmelsbote
sie ermahnt zur Freudigkeit.

Und die frohe Schar der Engel
sang lobpreisend durch die Nacht,
Frieden aller Welt verheißend,
von der Himmelshöhe Pracht.

O welch herrliches Geheimnis,
Staunenswert und wunderbar,
Daß den Donnerer im Weltall
Eine zarte Maid gebar;

Daß ein Weib des Weltalls Schöpfer
Unter ihrem Herzen trägt,
Daß der Herr der Engelscharen
In die Krippe wird gelegt.

Dessen Hand des Himmels Pole
Wie den Erdenball umschmiegt,
Eingehüllt in wenig Windeln
Als ein wimmernd Kindlein liegt.

Und der hehre Mund des Schöpfers,
der der Zeiten Los bestimmt,
Seht, wie gern er seine Nahrung
Nun der Mutterbrust entnimmt.

O beglückte Mutter Christi,
die aus Davids Stamme sich
Schwang empor zur Weltenkön’gin,
o Maria, freue dich.

Hör der Gläubigen Gebete,
schütz die Welt zu aller Frist,
Die du Lohn den Patriarchen,
der Propheten Krone bist.

Jungfrau, ehelos verehlicht,
zu dir flehen Weib und Mann:
Nimm fürbittend dich der Eltern,
nimm dich auch der Kinder an.

Freu, o Himmel, dich mit deinem
ungezählten Engelheer,
Freue dich, du weite Erde,
freut euch Ströme, Stern’ und Meer.

Deutsch von Lebrecht Dreves (1816 – 1870)

metrum

Versmaß: ambrosianisch (metrum ambrosianum), akatalektische iambische Dimeter, anstelle der Iamben können an erster und dritter Stelle auch Spondäen und Anapäste stehen (vgl. Aldalbert Schulte, Die Hymnen des Breviers, S. 9f.).

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