Nunc Hungarorum

Quadragesimo obitus anniversario Eminentissimi ac Reverendissimi Domini D. Iosephi S.R.E. Cardinalis Mindszenty

Ioannes Georgius Bertram (Hansjürgen Bertram, * 1937)

Lateinisch:

Nunc Hungarorum pangere convenit
plus quam virili pectore præsulem
gregisque pastorem fidelem
absque lupis rabidis tuentem!

Ecclesiæ qui Matris ab hostibus
defendit agnos Pannoniæ pios
interrita claraque voce
aggrediens regimen nefastum

A Teutonum hoc, illud duce Russiæ,
negans utrumque et ludificans Deum,
fallente libertatis auctum
sub titulo populos premensque.

Contra potentes surgit homiliis
hæc fortitudo, surgit Apostoli
testisque Christi roborata
Flamine vis animi Superno.

Dum rite parvos institui suos
de Christiana salvifica fide
vetare conatos tonitru
increpat ignivomi Prophetæ,

Magnus sacerdos terrificus malis,
suæque plebi tam venerabilis
excellit, hostes ut superbi
carcere condiderint leonem.

Captivitas et quæstio publica
iniuriae mixtæ excruciatibus
mutansque psychen toxicorum
vis mala, pseudologum tribunal,

Insomniis vexare malignitas
sollersque nervos vellere corporis
artes inhumanæque et omnes
frangere non valuere mentem.

Olim Supremi Pontificis Pii
donatus Almo Numine purpura
novo Auguraclo* Vaticano
depositus cathedra movetur.

Si mundus ater tam solet asperas
referre grates, sit vetitus stupor!
Sed Sede Sancta sic statutum
flebile prorsus et impudentis.

Persona non iam congrua naribus
pacem dolosam præsipientibus
gestas suas res scribit, edit
perfidiæ renuens sacratæ.

Qui tot per annos Tartara passus est
captivus, exul, martyrii capax
pro patriaque Ecclesiaque,
præmia habet meliora caeli.

* Augurac(u)lum erat nomen arcis Romae veteris, de qua augures avium volatus observabant. Quae metaphora hoc loco citata significare vult artis politicae Neovaticanae quaelibet omina (sive fausta sive infausta) more augurum diligentissime observantis vacillationes.

Deutsch:

Ungarns Fürstprimas gilt es zu preisen nun.
Ein mehr als männlich Herz schlug ihm in der Brust.
Als treuer Hirte seiner Herde
schützte er sie vor den wütigen Wölfen.

Der Mutter Kirche grimmigen Feinden ließ
die frommen Lämmer all er Pannoniens nicht.
Mit unerschrockner lauter Stimme
wagt er das Schandregime anzugreifen.

Zuerst des deutschen, russischen Führers dann,
gottlos ein jedes und aller Lästrung voll,
das unterm falschen Namen „Freiheit“
weiter sich fraß und die Völker jochte.

Der Macht zum Trotz erhob sich das Gotteswort
aus tapfrem Mund, erhob sich apostelgleich,
vom Heilgen Geist gestärkt, die kraftvoll
schallende Weisheit des Zeugen Christi.

Als man die heilsverkündende Christenlehr‘,
die immer galt, den Kleinen zu nehmen wagt,
stürmt er mit Mose heilgem Zorne
los auf die Schuldigen, die’s verbrochen.

Als Hoherpriester ragt er, dem Feind ein Graus,
doch seinem Volke höchster Verehrung wert,
hoch aus der Flut. Die Wut der Gegner
heißt sie den Leu in Gewahrsam nehmen.

Gefangenschaft, verlogener Schauprozeß,
mit Schmähwort wechselnd peinliche Folterung,
der psychotropen Drogengaben
schädliche Wirkung, die Kreuzverhöre,

Die Bosheit, die mit aller Erfindungskraft
die Nerven schwächt durch ständigen Schlafentzug,
samt allen unmenschlichen Tücken
konnten den standhaften Mann nicht brechen.

Papst Pius einstmals hatte den Purpur ihm
verliehn. Er kannte seines Empfängers Wert.
Neuvatikan‘sche Vogelschauer*
wend‘ge, enthoben ihn seines Amtes.

Wenn sie, die falsche Welt, dieses herben Danks
die Tugend würdigt, sei das Erstaunen fern!
Doch wenn’s der Heilge Stuhl verfügt, ist‘s
geradezu jämmerlich, ach! und schamlos.

Den welschen Nasen, schwelgend im Vorgenuß
des faulen Friedens, jetzt völlig unerwünscht,
schreibt er, was er getan, gelitten,
und widerspricht der gesalbten Falschheit.

Wer all die Jahre Qualen um Qualen litt,
verbannt, gefangen, Anwart der Märtyrerkron‘,
für Vaterland, für Gottes Kirche,
freut sich des besseren Lohns im Himmel.

* Augurac(u)lum: Name der Burg des alten Rom, von der aus die Auguren den Vogelflug beobachteten. Die Metapher will hier die Wetterfahnenhaftigkeit der neuvatikanischen Politik bezeichnen, die alle möglichen Omina (günstige und ungünstige) wie die altrömische Priesterschaft der Auguren genauestens beachete.

Deutsch von Hansjürgen Bertram

fontes

Diese Hymne wie auch deren Übertragung, die der Verfasser selbst vorgenommen hat, werden hier zum ersten Mal veröffentlicht.

Weitere Hymnen von Hansjürgen Bertram finden sich in folgenden Veröffentlichungen: Ioannes Georgius Bertram (Hansjürgen Bertram), Hymnarium Suppletivum. Hymni sacri qui in Breviario Romano desunt. 2009

Das "Hymnarium Suppletivum" ist beim Verfasser erhältlich (Preis Euro 8,00 plus Versandkosten): Hansjürgen Bertram, Leyler Weg 21, 56656 Brohl-Lützing

Teildruck mit deutschen Übersetzungen auch in:
Una voce-Korrespondenz 41 (2011), Heft 2, S. 197 - 204, Teil 1
Una voce-Korrespondenz 41 (2011), Heft 3, S. 275 - 286, Teil 2

scholia/marginalia

Jósef Kardinal Mindszenty (29. März 1892 - 6. Mai 1975) ist heute im öffentlichen Bewusstsein kaum mehr gegenwärtig. Noch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war das ganz anders.

Das Leben dieses aufrechten und streitbaren Kirchenmannes wurde damals in der Öffentlichkeit verfolgt. Sein Schicksal, der infame Schauprozess, die Anklage und die Verurteilung, die Haft in kommunistischen Kerkern, das damals nicht nur die katholische Welt bewegte, war Anlass für das Drama "The Prisoner" von Bridget Boland (1913 - 1988); die Uraufführung erfolgte am 14. April 1954 im berühmten Globe Theatre, London, und schon im Folgejahr 1955 kam der gleichnamige Film mit Alec Guiness in die Kinos.

Im Vorwort zu seinen "Erinnerungen" äussert der Kardinal allerdings, dass es dem Film nicht gelinge, ein "Bild von der Wirklichkeit zu vermitteln".

"Meine Memoiren wollen nun die Wirklichkeit zeigen. (...) Ich rede aber nicht, um die Früchte meiner Leiden und Wunden zu ernten. Nur deshalb veröffentliche ich all dies, damit die Welt erkenne, welch ein Schicksal der Kommunismus für sie bereithält. Ich will nur zeigen, daß er die Würde des Menschen nicht achtet, und ich will mein Kreuz nur schildern, um die Augen der Welt auf das Kreuz Ungarns und seiner Kirche zu richten."

Jósef Mindszenty wird im März 1944 Bischof von Veszprém. Am 16. September 1945 ernennt Papst Pius XII. Jósef Mindszenty zum Erzbischof von Esztergom und zum Fürstprimas von Ungarn; am 21. Februar 1946 wird ihm vom Papst Pius XII. im Petersdom der Kardinalshut verliehen.

Am 26. Dezember 1948 wird Jósef Kardinal Mindszenty, des Hochverrats beschuldigt, in Esztergom verhaftet. Durch gefälschte Dokumente, Folter und Gehirnwäsche versucht das kommunistische Regime, den Kardinal zu einem Schuldeingeständnis und zur Abdankung zu zwingen. Der Kardinal ist nach stundenlangen Verhören, regelmäßigem Schlafentzug physisch gebrochen, beginnt schon beim Gedanken an den Gummiknüppel zu zittern, hat keine Kraft mehr zu kämpfen und unterzeichnet ein Dokument, mit einer letzten kleinen List. Hinter seinen Namen setzte er ein c.f. (coactus feci, ich tat es gezwungen); als man von ihm wissen wollte, was das heiße, sagte er, es bedeute cardinalia foraneus (Bezeichnung für einen provinzialen, nicht kurialen Kardinal).

Vom 3. bis 5. Februar 1949 findet der Prozess gegen den Kardinal statt, und am 8. Februar wird der Fürstprimas zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er wird zur Symbolgestalt der unterdrückten Kirche. Er bleibt acht Jahre in Haft, bis er während des ungarischen Volksaufstandes im Oktober 1956 befreit und unter Glockenläuten im Triumph nach Budapest gebracht wird. Die Freiheit kann er nur dreieinhalb Tage genießen, denn die sowjetischen Truppen marschieren in Ungarn ein und schlagen den Aufstand nieder. Der Kardinal wird von den Aufständischen in die Amerikanische Botschaft verbracht, wo er Asyl erhält und in der er als "Gefangener der Botschaft" fünfzehn Jahre verbleibt.

1971 konnte er nach vatikanischen und amerikanischen Bemühungen ins Exil nach Wien ausreisen. Der Befreite vermochte damals nicht zu ahnen, dass ihm die schlimmsten Demütigungen und Leiden noch bevorstanden. Nach seiner Ausreise aus Ungarn legte ihm Papst Paul VI. den Rücktritt von seinen Ämtern nahe. Als Kardinal Mindszenty sich diesem Ansinnen widersetzte, opferte ihn der Papst seiner leisetreterischen, nachgiebigen Ostpolitik und setzte ihn im Dezember 1973 "aus seelsorgerischen Motiven" als Erzbischof und Fürstprimas ab. Damit erreichte der Papst, was dem kommunistischen Regime nicht gelungen war. Und dies nachdem er Kardinal Mindszenty noch 1971 vor Zeugen versichert hatte: Tu es et restas Archiepiscopus Stringonensis, Primas Hungariae. "Du bist und bleibst Erzbischof von Esztergom und Primas von Ungarn. Arbeite weiter, und wenn Du Schwierigkeiten hast, wende Dich immer mit Vertrauen an Uns!"

Damit stellt sich die beklemmende Frage: Kann ein Papst wie Paul VI., der sein Wort bricht und seinen Amtsbruder derart brüskiert und desavouiert, ja sein Leiden im Kerker de facto als sinnlosen Widerstand erklärt, ein Heiliger sein?

So folgte für Kardinal Mindszenty auf das Martyrium in den kommunistischen Kerkern das Martyrium durch die katholische Kirche.

Zwischenzeitlich wollt man von ihm gar verlangen, dass er seine Ansprachen und Predigten vorlegte und zensieren ließ, dass er seine Erinnerungen nicht veröffentlichte und dem Heiligen Stuhl vermachte.

Als am 5. Februar 1974, am 25. Jahrestag seines Schauprozesses, der Vatikan seine "Entfernung vom erzbischöflichen Sitz in Esztergom bekanntgab, erweckte die vatikanische Diplomatie den Eindruck der Rücktritt sei einvernehmlich erfolgt.

Der Kardinal, der der Kirche gegenüber stets gehorsam und loyal bis zu Selbstverleugnung war, wollte und konnte diese Unwahrheit nicht hinnehmen. Deshalb sah er sich gezwungen, durch sein Sekretariat eine umfangreiche Erklärung abzugeben:

"Einige Nachrichtenagenturen gaben den Beschluß des Vatikans so weiter, daß der Eindruck entstand, Jósef Kardinal Mindszenty habe sich freiwillig in den Ruhestand zurückgezogen. Die Nachrichtenagenturen hoben ferner hervor, daß vor dem päpstlichen Beschluß ein intensiver Briefwechsel zwischen dem Vatikan und dem in Wien lebenden Kardinal-Primas und Erzbischof erfolgt sei. Manche zogen daraus den Schluß, daß über diese Entscheidung zwischen dem Vatikan und dem ungarischen Oberhirten Übereinstimmung erzielt worden sei. Im Interesse der Wahrheit bevollmächtigt Kardinal Mindszenty sein Sekretariat, folgende Erklärung abzugeben:

Kardinal Mindszenty hat weder von seinem erzbischöflichen Amt noch von seiner Würde als Primas von Ungarn abgedankt. Die Entscheidung wurdem vom Heiligen Stuhl allein getroffen. (...) Die Ernennung von Bischöfen bzw. Apostolischen Administratoren ohne Beseitigung der oben erwähnten Mißstände löst die Probleme der ungarischen Kirche nicht. Die Einsetzung von 'Friedenspriestern' in wichtige kirchliche Ämter erschüttert das Vertrauen der kirchentreuen Priester und Gläubigen in die oberste Kirchenleitung. Unter diesen schwerwiegenden Umständen konnte Kardinal Mindszenty nicht abdanken."

Unmittelbar auf diese am Ende der "Erinnerungen" vollumfänglich wiedergegebene Erklärung folgt der letzte Satz der Memoiren des Kardinals:

"So ging ich den Weg in die Abgeschlossenheit einer totalen Verbannung."

Jósef Kardinal Mindszenty ist am 6. Mai 1975 in Wien verstorben; am 15. Mai 1975 wurde er in der Basilika von Mariazell beigesetzt.

Nachdem der Kardinal in Ungarn 1989 durch das Parlament und 1990 durch den höchsten Gerichtshof rehabilitiert worden und damit die Voraussetzungen für die Überführung in die Heimat, wie sie der Kardinal gewünscht hatte, erfüllt waren, wurde sein Leichnam exhumiert, um ihn zur vom Verstorbenen bestimmten Grabstätte zu verbringen. Am 3. Mai 1991 wurde er in Mariazell und Österreich verabschiedet und feierlich nach Ungarn übergeführt und am 4. Mai 1991 in der Krypta der Basilika von Esztergom beigesetzt.

Von Seiten der Katholischen Kirche ist eine Rehabilitation oder Wiedergutmachung ausgeblieben.

Seit dem Jahre 1993 (1994) wird der Seligsprechungsprozess für Jósef Kardinal Mindszenty unter Michael von Habsburg-Lothringen, Präsident der Mindszenty Stiftung, angestrebt.

vita humiliavit - mors exaltavit

Literatur:

József Kardinal Mindszenty, Erinnerungen. Frankfurt/M., Berlin Wien: Verlag Ullstein (Propyläen), 1974

Reinhard Raffalt, Wohin steuert der Vatikan? Papst zwischen Religion und Politik. München, Zürich: R. Piper & Co. Verlag, 1973

Bridget Boland, Der Gefangene (The Prisoner). Übersetzung von P. Tutilo Krapf.

Luzern: Rex Verlag, 1958

Dietmar Grieser, József Mindszenty. Boltzmanngasse 14. Exil - In: Dietmar Grieser, Wiener Adressen. Ein kulturhistorischer Wegweiser. Frankfurt a.M. 1989

Dietmar Grieser, József Mindszenty. IX., Boltzmanngasse 14. Exil - In: Dietmar Grieser,

Weltreise durch Wien. Lebensstationen berühmter Persönlichkeiten. München 2006

metrum

Versmaß: metrum Alcaicum (alkäische Strophe)

Kontakt/ImpressumDatenschutz