Septem Iesu morientis verba

Anonymus

Lateinisch:

In Crucis pendens arbore,
Toto cruentus corpore
Et summo cum dolore,
Quæ verba Dei Filius
Divino fudit pectore
Pari penses amore.

His orat prima vocibus:
"Ignosce, Pater, omnibus,
Qui cruci me affigunt.
Da veniam peccantibus,
Ignoscas ignoratibus,
Qui Deum sic affligunt."

Post hæc latronis precibus
Benignis favet auribus
Eidem pollicendo:
"Ad paradisi gloriam
Te ducam, tibi gloriam
Salvator hanc impendo."

Ad Matrem amatissimam,
Ligno trabali proximam,
Conversus sic profatur:
"En Filium, hunc accipe,
En Matrem, istam suscipe",
Discipulum affatur.

Iam diris cruciatibus
Et auxiiis doloribus
Exanimatus clamat:
"Ah sitio; doloris est
Hæc sitis, et amoris est,
Quæ mundi vitam amat.

Mox dessolatus angitur,
Mortisque lucta frangitur:
"O Eli, Eli, Deus!
Cur derelinquis hominem,
Doloribus exanimem,
O Deus, Deus meus!"

Post flagra tandem, effera
Tormenta, sputa, verbera
Clamat: "Est consummatum!
O Pater mi, quod perfero,
Quod moriturus offero
Sit holocaustum ratum."

Hic dictis Patrem reverens
Ad ipsum vota referens
"Ad metam", dixit, "tendo".
Ad ultimum anhelitum
In manus tuas spiritum,
O Pater mi, commendo."

O homo! Iesu vulnera
Contritus corde pondera,
Et miser non peribis,
Sed vitæ post solatia
Cœlorum ad palatia
Æternum felix ibis.

Deutsch:

Als blutend er am Kreuze hing,
Den armen Leib schon Tod umfing
Mit bittterlichen Schmerzen,
Die Worte, die der Gottsohn sprach,
Eh in der Brust das Herz ihm brach,
Bewahre treu im Herzen.

Zum ersten bat er flehentlich:
"Verschone, Vater, sie, die mich
An dieses Kreuz gehangen.
Vergib den Sündern voller Huld,
Sie wissen nicht, wie große Schuld
Sie, Gott, an dir begangen."

Der Bitte, die des Schächers Mund
Dem Gottessohn dann machte kund,
Ward gnädiges Ohr geliehen.
Er sprach: "Führwahr, ich sage dir,
Du wirst noch heutigen Tags mit mir
Zum Paradies einziehen."

Zur treuen Mutter dann gewandt,
Die trauernd unterm Kreuze stand,
Sprach er, zur tränennassen:
"Sieh, deinen Sohn im Jünger hier,
Und du die Mutter sieh in ihr
Und sollst sie nicht verlassen."

Fast übermannt von Schmerzenslast
Rief er, von Todesangst erfaßt:
"Es dürstet mich", im Sterben.
"Der Durst so großen Schmerz mir gibt,
Weil ach so sehr mein Herz geliebt
Die Welt, ihr Heil zu werben."

Nicht lang, so packt sein Herz der Krampf,
Er ruft im letzten Todeskampf:
"O Eli, Eli, Vater!
Du siehst im Tod erblassen mich,
Warum hast du verlassen mich,
O Gott, Gott, mein Berater!"

Nach all den Martern, die er trug,
Als man ihn anspie, stieß und schlug,
Hat dieses er gesprochen:
"Es ist vollbracht! Laß, Vater mein,
Als Opfer dir gefällig sein
Mein Herz, im Tod gebrochen.

Dann, auf zum Himmelsvaterland
Ergebungsvoll den Blick gewandt,
Sprach er: "Es ist zu Ende.
Eh mir der letzte Hauch entwich,
O Vater mein, befehle ich
Den Geist in deine Hände!" -

O Mensch! präg Iesu Wundenpein
Dir in das Herz getreulich ein,
Auf daß du nicht verderbest,
Vielmehr nach dieses Lebens Qual
Dereinst im hohen Himmelssaal
Die ewigen Freuden erbest.

Deutsch von Richgard Zoozmann (1863 - 1934)

fontes

Richard Zoozmann, Laudate Dominum. Lobet den Herrn. München 1928, S. 724 - 729

scholia / marginalia

Die sogenannten sieben letzten Worte, die der Gekreuzigte nach der Überlieferung der Evangelisten am Kreuze sprach, sind die folgenden:

Pater, dimitte illis: non enim sciunt quid faciunt.
Lk 23,34

Amen dico tibi: Hodie mecum eris in paradiso.
Lk 23,43

Mulier, ecce filius tuus. - Ecce mater tua.
Joh. 19, 26f.

Deus meus, Deus meus, ut quid dereliquisti me?
Mk, 15,34; Mt, 27,46

Sitio.
Joh. 19,28

Consummatum est.
Joh. 19,30

Pater, in manes tuas commendo spiritum meum.
Lk 23,46

Sie sind hier in der traditionellen Reihenfolge wiedergegeben.

Der Dichter des Hymnus "Septem Iesu morientis verba" weicht von dieser Reihenfolge ab und vertauscht das vierte und fünfte "Wort".

Diese Texte sind mehrfach vertont worden. Am bekanntesten sind "Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz" von Heinrich Schütz und "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze" von Joseph Haydn, die in mehreren Fassungen vorliegen, unter anderem als Streichquartette und als Oratorium sowie "Die sieben Worte Christi am Kreuz" von César Franck.

Joseph Haydn, Streichquartette "Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze", op. 51 (Gidon Kremer, Kathrin Rabus, Gerard Caussé, Ko Iwasaki), Philips 412 878-2

Joseph Haydn, Die sieben letzten Worste unseres Erlösers am Kreuze. Arnold Schoenberg Chor, Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt, Teldec

 

metrum

sechszeilige Strophen. Reimschema: aabccb (Abweichungen in der ersten Strophe)

Kontakt/ImpressumDatenschutz