Verbum bonum et suave

Anonymus

Lateinisch:

Verbum bonum et suave
Personemus, illud Ave,
Per quod Christi fit conclave
Virgo, mater, filia.
Per quod Ave salutata
Mox concepit fecundata
Virgo, David stirpe nata,
Inter spinas lilia.

Ave, veri Salomonis
Mater, vellus Gedeonis,
Cuius magi tribus donis
Laudant puerperium;
Ave, solem genuisti,
Ave, prolem porotulisti,
Mundo lapso contulisti
Vitam et imperium.

Ave, mater Verbi summi
Maris portus, signum dumi,
Aromatum virga fumi,
Angelorum domina.
Supplicamus, nos emenda,
Emendatos nos commenda
Tuo nato ad habenda
Sempiterna gaudia.

Deutsch:

Singt das wort vom holden schimmer,
Jenes ave jubelt immer,
Wodurch ward zu Christi zimmer
Seine mutter, jungfrau, kind:
Vor dem göttlichen verlanger
Voller demut, wurde schwanger
Jenes reis von Davids anger,
Lilie unter dorngewind.

Ave du des wahren riesen
Mutter, tau auf Gideons fliesen!
Magier mit gaben priesen
Dreifach deine mutterschaft.
Ave, die die sonne brachte,
Ave, die den sohn bewachte,
Der gefallnen welt vermachte
Leben, heil und herrscherkraft.

Ave mutter höchsten hauches,
Meerstern, brand des dornenstrauches,
Staude voll des süssen rauches,
Du der engel königin.
Bessre unsre böse fehle,
Die gebesserten empfehle
Deinem sohn, dass er nicht hehle
Uns der ewigen lust gewinn.

Friedrich Wolters (1876 – 1930)

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 269f.
Friedrich Wolters, Hymnen und Sequenzen, S. 90f.

scholia / marginalia

De Beata Maria Sequentia
Sequenz von der glückseligen Maria

Diese kurze Sequenz, die ins 11. Jahrhundert zurückgereicht, war der bevorzugte Liebling des ganzen Mittelalters, nicht nur ihrer sanglichen Meldodie wegen; gewiß hatte auch der bei aller Kürze abgerundete Text, den man mit dem bekannten 'kurz und gut' qualifizieren möchte, an dieser Popularität seinen Anteil. Nicht leicht wird sich eine Sequenz nachweisen lassen, auf deren Schema und Singweise so viele andere Sequenzen gebaut worden sind als diese. Es können mit ihr in dieser Hinsicht höchstens die Weihnachtssequenz Laetabundus oder die Pfingstprose Veni, sancte spiritus, oder endlich die Mariensequenz Hodiernae lux diei in Vergleich kommen.
Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Zweiter Teil, S. 270

"Verbum bonum et suave" (Nr. 218) stammt laut Quellen aus dem vollen 11. Jahrhundert und hat von da an in allen Ländern sehr weite Verbreitung gefunden. Der Dichter ist offenbar älter als Adam. Was er schuf ist vollendet nach Inhalt und Form. Alle technischen Vorzüge, die als charakteristische Merkmale der Prosen Adams gerühmt werden, finden sich ausnahmslos auch hier:: Im Rhythmus volle Harmonie zwischen Wort- und Versakzent, ferner reiner Reim und gleichmäßige Zäsur nach jedem zweiten Trochäus. Sogar in den Schlußversen jeder Strophe ist regelrecht der Rhythmus ausnahmslors gewahrt. Soll dieser gewandte und tiefsinnige Dichter nur diese eine Sequenz gemacht haben? Und wenn nicht, was mehr als wahrscheinlich, ist dann keine dieser Sequenzen in die Gradualien von St. Victor gedrungen? Wenn sicher mindestens 27 Sequenzen dort Aufnahme fanden, ohne von Adam zu stammen, warum dann nicht noch etliche mehr? An welchen Merkmalen aber können wir dann diese von den echten Adamitischen unterscheiden? Unsere Sequenz "Verbum bonum" verrät sich allerdings durch ihr Vorkommen in Quellen des 11. Jahrhunderts und durch ihr Fehlen im alten Victoriner Graduale als unmöglich von Adam herrührend. Aber, mehr als eine der 45 angeblich Adam zuzuschreibenden Sequenzen, die in den Victoriner Gradualien sich vorfinden, kann sehr wohl durch einen bloßen Zufall bis jetzt nicht in einer Quelle des 11. Jahrhunderts nachweisbar sein, wenngleich sie wirklich aus dem 11. Jahrhundert, etwa vom Dichter des "Verbum bonum", stammen mag.

Clemens Blume, Henry Marriott Bannister, Analecta hymnica LIV., Leipzig 1915, S. XIII

metrum

Versmaß: vierzeilige Strophen mit akzentuierten trochäischen Dimetern, die ersten drei Verse sind akatalektisch, der vierte katalektisch. Je zwei Strophen erweisen sich durch den Reim des vierten Verses als einander zugehörig und bilden eine Art Doppelstrophe.
Reimschema: aaab cccb

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