Iam Christe sol iustitiae
Geschrieben von: Anonymus
Anonymus
Lateinisch:
Iam Christe, sol iustitiæ,
Mentis diescant tenebræ,
Virtutum ut lux redeat,
Terris diem cum reparas.
Dans tempus acceptabile,
Et pœnitens cor tribue:
Convertat ut benignitas,
Quos longa suffert pietas.
Quiddamque pœnitentiæ
Da ferre, quamvis gravium,
Majore tuo munere,
Quo demptio sit criminum.
Dies venit, dies tua,
In qua reflorent omnia:
Lætemur in hac ad tuam
Per hanc reducti gratiam.
Te rerum universitas
Clemens adoret Trinitas;
Et nos novi per veniam
Novum canamus canticum. Amen.
Deutsch:
Du Sonne der Gerechtigkeit,
Christus, mach Tag in dunkler Brust,
Daß frisch erbrennt der Tugend Licht,
Wenn du der Fluren Tag erneust.
Und schenkst du die ersehnte Frist,
So schaff das Herz auch reuewarm,
Daß holde Nachsicht bessere,
Wen deine Sanftmut lang erträgt.
Laß uns ein wenig Buße doch
Im Herzen fühlen, dank der Gunst,
Die du uns reicher ausgeteilt
Und die auch schwerste Sünden tilgt.
Es kommt der Tag, es kommt dein Tag,
Da alles neu in Blüten steht:
Dann laß uns froh sein, deiner Gunst
Durch diesen Tag zurückversöhnt.
Dich, gnädigste Dreieinigkeit,
Bete der Dinge Allheit an:
Und wir, in Sühne neugestalt,
Bereiten Dir ein neues Lied.
Deutsch von Hans Rosenberg
fontes
Breviarium Monasticum
Hans Rosenberg, Die Hymnen des Breviers in Urform und neuen deutschen Nachdichtungen. Erste Abteilung. Freiburg i.Br. 1923, S. 118ff.
F.J. Mone, Lateinische Hymnen des Mittealters, aus Handschriften herausgegeben und erklärt. Erster Band. Freiburg i.Br. 1853, I, S. 91
scholia / marginalia
Ad Laudes in Quadragesima
Zu den Laudes an Quadragesima
Diese alte Hymne ist für das Brevarium Romanum sehr stark bearbeitet worden und erscheint dort als O sol salutis, intimis.
sol iustitiae (I,1) Bezeichnung für den Messias.
tempus acceptabile (II, 1) ist ein Hinweis auf die 'gnadenreiche Fastenzeit' (vgl. 2 Kor. 6,2)
F.J. Mone (a.a.O.) liest quamvis grandium (III,2)
dies tua (IV,1), dein Tag, der Jüngste Tag, der Ewige Tag
"Der Messias heißt die 'Sonne der Gerechtigkeit' schon Mal. 4,2. (...) Seit dem Jahre 200 gehört diese Bezeichnung Christi zum festen Bestande der theologischen Schriftsteller; sie ist auch in die Namen-Jesu-Litanei aufgenommen."
Hans Rosenberg, Die Hymnen des Breviers in Urform und neuen deutschen Nachdichtungen. Erste Abteilung. Freiburg i.Br. 1923, S.214
"Durch das ganze Lied ist die Erwartung auf den Ostertag als die zweite Schöpfung ausgedrückt und die Fastenzeit als die büssende Vorbereitung dazu angegeben. Es ist daher eine Parallele zu den Adventsliedern, welche auf die geistige Wiedergeburt des Menschen durch Christi Geburt vorbereiten. Die erste ud zweite Schöpfung, wie auch einzelne Psalmen, gaben den Dichtern Anlass, die Grösse und Güte Gottes in der Natur hervorzuheben, was ihre Lieder bekanntlich von den heidnischen der Klassik unterscheidet, welche für die Schönheit der Natur keinen Sinn haben. Der älteste christliche Dichter, welcher auf die religiöse Betrachtung der Natur hindeutet, ist Prudentius; schon vor ihm thaten es prosaische Schriftseller wie Ambrosius im Hexaëmeron, und nach ihm noch mehrere ..."
F.J. Mone, Lateinische Hymnen des Mittealters, aus Handschriften herausgegeben und erklärt. Erster Band. Freiburg i.Br. 1853, I, S. 91
F.J. Mone gibt folgende Lesart (a.a.O.):
Iam Christe, sol iustitiæ,
Mentis dehiscant tenebræ,
Virtutis ut lux redeat,
Terris diem cum reparas.
Da tempus acceptabile
Et pœnitens cor tribue
Convertat ut benignitas,
Quos longa suffert pietas.
Quiddamque pœnitentiæ
Da ferre, quamvis grandium
Majore tuo munere
Quo demptio sit criminum.
Dies venit, dies tua,
In qua reflorent omnia,
Lætentur in hac ut tuæ
Per hanc reducti gratiæ,
Te rerum universitas
Clemens adoret trinitas,
Et nos novi per veniam
Novum canamus canticum.
Abweichungen gegenüber dem Breviarium Monasticum: I,2,3; II,1; III,2; IV,3,4.
metrum
Versmaß: ambrosianisch (metrum ambrosianum), aktalektische iambische Dimeter, anstelle der Iamben können an erster und dritter Stelle auch Spondäen und Anapäste stehen (vgl. Aldalbert Schulte, Die Hymnen des Breviers, S. 9f.).